Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
Mit Spinnern? Mit Wiedergängern? Sie spürte nur, dass sie mit einer Welt konfrontiert wurde, von der sie eigentlich nichts wissen wollte. Alles, was sie über die Rosenkreuzer gelesen hatte, klang so unwahrscheinlich, »durchgeknallt«, wie ihre Tochter sagen würde, dass Marta zu vermuten begann, jemand wolle sie gezielt in den Wahnsinn treiben. Aber warum?
Obwohl es zeitlich kaum zu schaffen war, brachte sie am nächsten Morgen vor Öffnung der Praxis die Kinder zur Schule und schärfte ihnen ein, sich weder von fremden Leuten ansprechen zu lassen, noch mit ihnen zu gehen. Besonders Katharina hämmerte sie ein, sie solle den Bru der abholen und dann auf schnellstem Weg nach Hause kommen. Natürlich fragte diese neugierig nach, aber Marta flehte sie fast an, ihr einfach zu vertrauen und nicht weiterzubohren.
In der Mittagspause ging sie dann zur Polizei und berichtete dem Ermittler, der den Einbruch bei ihr aufgenommen hatte, von dem Telefonat. Über den Besuch sprach sie jedoch nicht. Die Miene im rundlichen Gesicht des Beamten signalisierte Verständnislosigkeit, während er sich Martas Schilderung anhörte.
»Das kann doch nur ein schlechter Scherz sein. Wer sind denn diese Rosenkreuzer überhaupt?«
»Ein Geheimbund aus dem 17. Jahrhundert.«
»Für Geheimbünde sind wir nicht zuständig.«
»Und wer ist dafür zuständig?«
»Das LKA vielleicht. Das BKA? Oder der Verfassungsschutz? Tut mir leid, aber so etwas ist mir noch nicht untergekommen. Ich werde eine Anfrage ans LKA richten.« Der Beamte hob leicht die Arme, was eine Ausschüttung frischen Schweißes zur Folge hatte.
»Wir sind uns doch einig, dass bei mir eingebrochen worden ist?«
»Ja.«
»Und dass ich einen mysteriösen Anruf bekommen habe, der zu dem Chaos passt, das die Einbrecher bei mir hinterließen?«
»Den Anruf glaub ich Ihnen ja.«
Er hatte sich den Satz eher abgerungen, als dass er ihn mit Überzeugung äußerte. Marta spürte, wie der Beamte auf Distanz ging. Sie konnte hinter seiner massigen Stirn förmlich die Frage lesen, ob er es nicht mit einer geistig Verwirrten zu tun hatte. Den Anruf hatte er nicht miterlebt, nicht einmal Katharina konnte bestätigen, was der Mann gesagt hatte. Das Haus konnte sie in einem schizophrenen Schub selbst verwüstet und danach behauptet haben, es wären Einbrecher gewesen.
Ein Blick auf die einhundert Kilogramm Ignoranz ihr gegenüber verriet ihr, dass sie für den Beamten begann, unglaubwürdig zu werden. Ein Einbruch, bei dem etwas gesucht, aber nichts gestohlen wurde, ein erpresserischer Anruf, bei dem es um das mysteriöse Buch eines rätselhaften Geheimbundes aus dem 17. Jahrhundert ging, wirkten wirklich nicht sonderlich glaubwürdig. Zudem kannte man sie hier nicht, sie war keine Alteingesessene, sondern erst vor kurzem aus dem Norden zu gezogen. Wusste man denn, was sie aus der norddeutschen Großstadt Hamburg in das beschauliche Altdorf nach Süddeutschland verschlagen hatte, außer einer Erbschaft, deren Umstände überdies etliche Fragen aufwarfen? Würde man Eltern, Verwandte oder Freunde von ihr kennen, hätte man wenigstens ein paar Koordinaten, die halfen, das Geschehen einzuordnen. Aber so war alles möglich.
»Sie glauben mir nicht, oder?«, fragte sie mutlos.
Der Ermittler stand von seinem Stuhl auf, schob seine Fettzellen, wie ihr schien, einzeln um den Schreibtisch herum und grinste sie an. Das sollte vermutlich aufmunternd wirken, machte aber nur einen mitleidigen Eindruck auf sie. Sehenden Auges tappte sie in eine Falle.
»Ich glaube Ihnen. Natürlich. Warum auch nicht. Ich bitte die Kollegen, einmal öfter an Ihrem Haus vorbeizugehen. Inzwischen sollten Sie sich ein wenig ausruhen. War vielleicht alles ein wenig viel für Sie. Na, und zwei Gören zu erziehen, ist ja auch kein Honigschlecken. Noch dazu allein. Alle Achtung!«
Plötzlich durchfuhr es sie: Alexander! Steckte womög lich ihr Exmann hinter allem? Sie würde in die Klapse eingeliefert, und er bekäme die Kinder. Fein eingefädelt!
Der Beamte kramte derweil in einer gelben Plastikbox, deren Deckel ein großes rotes Herz zierte. Wahr scheinlich ein Geschenk seiner Frau. Sein Lächeln deute te an, dass er gefunden hatte, wonach er suchte. Er hielt eine Visitenkarte in der Hand und reichte sie ihr verschwörerisch. »Dr. Heike Langhorn, Psychotherapie.« Marta sah den Mann fragend an.
»Nicht, was Sie denken. Ich meine nur, weil Sie fremd und allein sind. Falls Sie mit jemandem reden wollen. Die Frau ist
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