Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
wirklich gut.«
Sie steckte die Karte ein, obwohl sie sich innerlich dagegen wehrte, doch sie wollte sich durch eine Ablehnung nicht noch verdächtiger machen. Sie verabschiedete sich schnell und atmete erleichtert auf, als sie wieder auf der Straße stand und frische Luft in ihre Lungen ließ. Der Schweißgeruch des dicken Mannes, den das billige Aftershave, das er benutzte, eher unterstrich als überdeckte, hatte ihr fast den Atem geraubt.
Und wenn nun doch ihr Mann dahintersteckte? Sein Motiv dafür war mehr als ausreichend, besonders seitdem sie mit den Kindern auch noch nach Süddeutsch land gezogen war. Er kannte genügend Leute, die für eine neue Nase oder das Absaugen von Fett alles tun würden. Auch diesem Polizisten täte eine solche Be handlung sicher gut. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf, weil sie merkte, dass sie zu weit ging. Vielleicht steckte ihr Mann dahinter, aber auch er konnte nicht alles und jeden manipulieren. Oder doch?
Vor ihrem Haus stieß sie auf die Postbotin, die sich freute, sie zu sehen, weil sie ein Einschreiben für sie hatte. Marta quittierte, bedankte sich, nahm die Post und ging ins Haus. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick in den großen ovalen Spiegel im Vestibül und erschrak, denn eine gehetzt wirkende Frau schaute daraus zurück. Alles in ihr sträubte sich zu akzeptieren, dass sie dieses Nervenbündel im Spiegel war. Dann musterte sie das Einschreiben.
Am Büttenpapier und dem goldgeprägten Absender auf der Rückseite in einer schwungvollen Schreibschrift erkannte sie, dass der Brief von ihrem Exmann stammte. Wenn es Ärger gab, dann immer gleich haufenweise. Alexander Rubin teilte ihr mit, dass er am Wochenende in Altdorf sein würde, um seine Kinder zu besuchen. Sie solle alles unterlassen, was seine Rechte einschränke. Er schloss mit den üblichen juristischen Drohungen, mit denen er seine Briefe an sie gewöhnlich würzte. Auf diesen Besuch konnte sie gut und gern verzichten. Die Kinder jedoch würden sich freuen, schließlich war er ihr Vater. Also würde sie es über sich ergehen lassen müssen. Doch sie kam nicht mehr dazu, es ihnen mitzuteilen.
Kapitel 9
I n der Praxis erwartete sie ein für den Spätfrühling ungewöhnlich volles Wartezimmer. Auf ihren fragenden Blick raunte ihr die Sprechstundenhilfe zu, dass ein paar U-Untersuchungen anstünden. Also stürzte sie sich in die Arbeit, die sie vollkommen in Anspruch nahm.
Nachdem sie das letzte Kind behandelt und die Praxis um 17 Uhr geschlossen hatte, suchte sie im Haus und im Park vergeblich nach Katharina und Benjamin. Marta rief im Hort und in der Schule an, aber dort meldeten sich nur die Anrufbeantworter. Panik stieg in ihr auf und legte sich wie ein eisernes Band um ihren Hals. Sie zwang sich zur Ruhe und griff in die Hosentasche. Statt der Visitenkarte des Polizisten hielt sie die Kon taktdaten der Psychologin in der Hand. Für einen Außenstehenden war im Grunde noch nichts passiert, außer dass sich die Kinder womöglich in der Stadt verbummelt hatten. Es war erst später Nachmittag. Das Wetter war zauberhaft. Wenn sie jetzt die Polizei alar mierte und ihre Kinder kurz darauf daheim einträfen, hätte sie vermutlich jegliche Glaubwürdigkeit verspielt. Und ihr Exmann würde sich ins Fäustchen lachen. Deshalb verzichtete sie mit unguten Gefühlen darauf, sich an die Polizei zu wenden, stieg in ihren Polo und raste zur Schule.
Doch sowohl Hort als auch Schule wirkten verwaist, und nur der Hausmeister war nach intensiver Suche noch auf dem Gelände zu finden. Er schwor Stein und Bein, dass sich kein Kind mehr in den Gebäuden oder auf dem Hof befand. Mehr wusste auch er nicht. Sie ließ ihn stehen, ging zum Auto zurück, nahm ihr Handy aus der Jackentasche und ließ sich über die Auskunft mit Bennis Horterzieherin verbinden, die sich Gott sei Dank ins Telefonbuch hatte eintragen lassen. Von ihr erfuhr sie aber nur, dass Katharina Benjamin pünktlich um 15 Uhr abgeholt hatte. Marta bedankte sich bei der Frau und schaute auf die Uhr. Mittlerweile war es 17.30 Uhr und die beiden seit zwei Stunden überfällig.
Ratlos lief sie über den Marktplatz und schaute, einer irrationalen Hoffnung nachgebend, im Buchladen, in der Modeboutique, im Spielzeugladen und bei McDonald’s vorbei. Doch nirgends fand sie ihre Kinder. Dann sprang sie wieder ins Auto und raste nach Hause. Inbrünstig betete sie unterwegs, dass die beiden inzwischen daheim eingetroffen waren, und schwor, sie in diesem Fall we der
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