Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
würde, würden sie ein kleines Vermögen bringen«, erklärte er schnaufend. Dann rubbelte er mit dem Hemd mehrfach über eine Stelle. »Hier ist es.«
Sie wagte kaum zu glauben, was sie gehört hatte. Vorsichtig und mit Zweifeln trat sie näher. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und kurz fürchtete sie, jeden Moment zusammenzubrechen. Unter dem Schmutz blinkte etwas hervor, das wie Gold aussah.
»Messing«, stellte er befriedigt fest. Mit dem Spaten kratzte er die Umgebung der Messingplatte frei, die in die Bohlen eingelassen war. Ihre Abmessung betrug knapp einen auf einen Meter. Mühsam entzifferte sie die beschädigte Inschrift darauf: »Sub umbra alarum tuarum Jehova.« »Unter dem Schatten deiner Flügel, Jehova«, übersetzte er und handelte sich dafür einen bösen Blick ein.
»Wir Ärzte mögen ja dumm sein, aber das Latinum müssen wir schon vorweisen, bevor wir studieren dürfen. Aber was bedeutet das?«
»Es ist aus einem Psalm im Alten Testament und bedeutet, dass der Ort unter Gottes persönlichem Schutz steht.«
»Ein Zauberspruch also?«
Alfonso lächelte. »Wohl eher eine Beschwörung. Im Übrigen würde mir nicht einmal im Traum einfallen, den Arztberuf herabzusetzen. Laut dem anderen Manifest der Rosenkreuzer, der Confessio Fraternitatis , ist nämlich der Beruf des Arztes der edelste. Deshalb sollen alle Brüder auch Ärzte sein, umsonst Kranke behandeln und Paracelsus nacheifern.«
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit!« Nach einer Diskussion über den alten Quacksalber Paracelsus stand ihr nun überhaupt nicht der Sinn, obwohl sie vielleicht ungerecht war, denn genau genommen wusste sie über den Renaissancearzt gar nichts und erinnerte sich nur an den Spott, den einer ihrer Professoren, den sie sehr mochte, über ihm ausgegossen hatte.
»Was von Jehova verborgen wird, ist für alle Zeit verborgen, außer man kommt voran auf dem mühsamen Weg der Gotteserkenntnis«, dozierte er prustend und schnaubend.
»Aha«, antwortete sie trocken. Zwar verbog er dabei das Spatenblatt, aber es gelang ihm schließlich, die schwe re Messingplatte damit anzuheben und mit Martas Hilfe zur Seite zu rücken. Eine enge, vermoderte Holztreppe kam zum Vorschein. Alfonso setzte vorsichtig Fuß vor Fuß, gefolgt von Marta. Doch nach den ersten drei staubigen Stufen lagen die restlichen blitzblank vor ihnen, als seien sie gerade erst gesetzt worden. Je tiefer sie kamen, umso deutlicher nahmen sie ein dämmriges Licht wahr, das aus der Dunkelheit drang. Schließlich standen sie in einem Gewölbe, das aus sieben Wänden und einer Kuppel bestand. Der dämmrige Lichtschein kam aus der Kuppel, ohne dass zu erkennen war, wie die Kuppel leuchtete. Sie wirkte wie aus fluoreszierenden Steinen errichtet.
In der Mitte des Raumes stand ein Podest und darauf ein Altar. Wie vom Schlag getroffen fiel Alfonso auf die Knie.
»Wie in der Fama beschrieben! Das ist es! Das Grabmal von Christian Rosenkreuz. Wir haben es tatsächlich gefunden! Großer Gott, ich danke dir!«
»Für heidnische Bräuche haben wir noch genügend Zeit, wenn Benjamin und Katharina wohlbehalten zurück sind!«
»Heidnische Bräuche«, wiederholte er ärgerlich und stand wieder auf. Dann ging er, gefolgt von Marta, zu dem runden Altar, der die Mitte des Podests beherrschte. In seine Rundung war ebenfalls eine Messingplatte eingelassen, auf der stand: Hoc universi compendium vivus mihi sepulchrum feci – Dieses Kompendium des Alls habe ich mir zu meinen Lebzeiten zum Grabmal gemacht.
»Sehen Sie, wie ich gesagt habe, diese Gruft stellt ein Kompendium der Welt dar. Da oben ist der Himmel, der sogar leuchtet.« Die stille Freude über dieses Wunder verzauberte sein Gesicht. »Und schauen Sie, auf den Wänden ist die Welt dargestellt. Diese Symbole, die Sie sehen, bezeichnen die Elemente, Menschen und Tiere. Da drüben sehen sie einen Mann in einem Berg, den alchemistische Geräte umgeben. Er sucht den Stein der Weisen. Und am Boden findet sich die Welt der Teufel und Dämonen, die die Fama als versiegeltes Geheimnis behandelt, mit ihren Bannsprüchen, sehen Sie diese Verfluchung …«
»Wo ist das Buch T?«, unterbrach sie ihn harsch. Man sah ihm an, dass er ihre Ungeduld, obwohl er sie verstand, nur schwer ertrug, denn er war begeistert, endlich mit eigenen Augen zu sehen, wovon er bisher nur gehört hatte.
»Was heißt denn Liber T?«, fragte er sie mit großen Augen.
»Ich habe jetzt wirklich keinen Nerv für eine Rätselstunde!«
»Sie
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