Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
dürfe. »Du hast doch selbst gesagt, dass es gefährlich ist und wir weder gerufen noch eingeladen sind.«
»Sa’adi sagt: Tief im Meer ist Reichtum ohne Maß./Doch suchst du Sicherheit, dann bleib am Ufer. «
»Und du suchst keine Sicherheit?«
Statt zu antworten, lachte er sie nur an, mit einem fast bübischen Lächeln, das ihn jünger aussehen ließ. All das Formelle, die angenommene Würde fielen mit einem Mal von ihm ab und begruben die Zweifel. Plötzlich erinnerte sie sich an den Satz des Größten Meisters, den er zitiert hatte: Ich folge der Religion der Liebe/ganz gleich wohin ihre Reittiere ziehen. Und fühlte sich mit einem Mal wohl und geborgen. Sie war nicht mehr allein. Jemand war bereit, den Weg mit ihr zu teilen. In Damaskus hatte sie einen Gefährten gefunden.
Kapitel 21
H afis hatte sich ausbedungen, die Reisevorbereitungen zu treffen, welche dann nicht enden wollende drei Tage in Anspruch nahmen. Maria hatte derweil vor lauter Ungeduld und, um sich zu beschäftigen, das Sufi- Kloster erkundet. Sie hatte die Zellen gesehen, die ihrem Zimmer ähnelten, die beiden Höfe bewundert, deren Böden wie die Zimmer mit kostbaren Mosaiken verziert waren, und ihre Hand in die Springbrunnen gehalten, die in der Mitte der Höfe standen und für Abkühlung sorgten. Kleine Kanäle leiteten das Wasser in die beiden Küchen. Doch für ihre Ungeduld wäre selbst das weitläufigste Ribat, wie man das Sufi-Kloster auch nannte, zu klein gewesen, dieses hatte sie jedenfalls in kürzester Zeit besichtigt. So drängte sie immer wieder zum Auf bruch. Nachsichtig, aber unnachgiebig hielt er ihr immer wieder entgegen, dass, wer unvorbereitet in die Wüste zöge, nur dem Tod in die Arme liefe. Nicht umsonst nannten die Beduinen sie auch den Leeren Ort. Deshalb sollten sie bedenken, was bedacht werden konnte, und Vorsorge treffen. Das Unvorhergesehene käme von ganz allein.
Zu den Vorbereitungen gehörte auch, dass Maria einige Reitübungen auf einem Kamel vollführte, denn ein Araber, der sich diesem Tier ge genüber ängstlich oder ungeübt zeigte, machte sich unglaubwürdig und provozierte gefährliche oder zumindest skeptische Fragen. Maria sah ein, dass sie dies unter allen Umständen vermeiden musste. Schicksalsergeben wagte sie sich auf das Kamel, das man auch das Schiff der Wüste nannte und das sie um mehr als Haupteslänge überragte. An fangs war es ihr ein wenig unheimlich, auf diesem schwindelerregend schwankenden Geschöpf reiten zu sollen, aber Hafis übte geduldig so lange mit ihr, bis sich zumindest eine gewisse Vertrautheit einstellte.
»Wenn dir schlecht zu werden droht, richte deine Augen fest auf die Horizontlinie. Sie bringt Ruhe.«
Maria erinnerte sich, dass sie diesen Rat nach ihrer ersten Einschiffung schon einmal von einem Seemann erhalten hatte. Wenn alles wanke, brauche der Mensch einen festen Punkt, an dem er Körper und Seele aus richten kann. Dieser Grundsatz schien nicht nur für das Fahren auf einem Schiff, sondern auch für den Ritt auf einem Kamel zu gelten.
Zuletzt wurde Maria in einen Araber namens Maa’ri verwandelt, der allerdings leider stumm war. Die Legende diente dazu, Marias fehlende Sprachkenntnis zu bemänteln.
In der Vorbereitungszeit erklärte ihr Hafis auch die wichtigsten Regeln des Islam, besonders die Gesten, die Hand- und Körperhaltungen, sowie den Ablauf des salat , des Pflichtgebetes. Hafis hatte ihr Sandalen, ein langes Hemd und eines seiner Gewänder gegeben, dazu einen blauen Turban, der ihren Kopf vor der unbarmherzigen Sonne schützen würde. So sah sie schließlich aus wie er, wie ein Sufi, nur etwas kleiner, zarter, vergeistigter. Ihre Mönchskutte verbrannten sie kurzerhand. Mit Wehmut blickte sie auf den dicken Qualm, der aus der schwarzen Wolle stieg. Wieder einmal schlüpfte sie von einer Verkleidung in die nächste, von einer Identität in die andere. Würde das je enden, würde sie eines Tages endlich bei sich selbst ankommen und sich nicht mehr verkleiden und verstellen müssen?
Den Dolch brauchte sie nicht mehr zu verbergen, sondern durfte ihn in den gelben Gürtel stecken und offen tragen. Mittels einer Masse, die er aus Harz, Kohle, Olivenöl und ein paar Substanzen herstellte, deren Herkunft Maria nicht allzu genau zu erfahren wünschte, dunkelte Hafis ihren hellen Teint nach. Während er die Paste sorgfältig auftrug, bat ihn Maria, ihr auf dem Weg Arabisch beizubringen.
»Warum willst du meine Sprache lernen?«, fragte er, und in seinem
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