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Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Titel: Das Geheimnis der Rosenkreuzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Klausen
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nicht.« »Was suchst du?«, fragte sie ihn ernst.
    Er maß sie mit einem langen Blick und dachte eine Weile nach, wohl darüber, ob er ihr trauen und sich öffnen durfte. Dann sprach er melodiös und schön in einer Sprache, die sie nicht verstand und die auch nicht Arabisch war. Die unbekannten Worte malten das Bild zweier Menschen in die heiße Luft, die sich einander vorsichtig näherten, mit den Fingerspitzen berührten, zurückschraken und es erneut wagten. Plötzlich hörte sie ihn Lateinisch sprechen, und ohne ihn zu fragen oder dass er es ihr angekündigt hätte, wusste sie, dass er die Verse übersetzte:
    »Ich lasse nicht ab
    von meinem Verlangen,
    bis sich mein Verlangen erfüllt:
    Der Körper sucht Vereinigung,
    ehe sich die Seele vom Körper scheidet.
    Öffne, wenn ich gestorben bin,
    mein Grab und sieh mein Sterbehemd
    in Flammen stehn
    von meinem inneren Feuer!«
    »Du bist kein Araber«, sagte sie bestimmt.
    »Nein.«
    »Sondern Perser!«
    Er nickte und lächelte leicht. Sie hatte es erraten. Die Kultur der Perser war viel älter als die arabische und hatte eine eigene Form des Islams geschaffen, als sie die Religion des Propheten von den arabischen Heerscharen übernahmen, die sich erobernd über den Osten ergossen hatten. Immer noch sah sie die Worttupfer, die beiden Gestalten wie Lufthauche im Himmel über der Wüste, die den Weg der Vereinigung suchten, ohne dabei dem Weg des Körpers zu folgen.
    »Wer seid ihr Sufis wirklich?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Aber du bist doch einer.«
    »Wer es weiß, ist keiner. Wir sind Leute des Weges, tariqa . Tariqa ist alles, es bedeutet Weg oder Pfad im Sinne einer Lehre, einer Art zu glauben. Aber kann es auf dem Weg ein Wir geben? Vielleicht gibt es nur den Sufi, nicht aber die Sufis? Sag mir, was sucht dein Bruder?«
    »Nennen wir es Gott.« Sie konnte in seinen Augen lesen, dass ihn die Antwort nicht befriedigte, weil er das Verschweigen darin spürte. Und dann erzählte sie ihm von ihrem Vater und ihrer Mutter, von dem Pogrom und davon, wie die Beginen und der Mönch sie versteckt hatten.
    »Und was suchen die Beginen? Was suchte der Mönch?«
    » Wenn die arme Seele an den Hof kommt, dann ist sie weise und wohlerzogen. Dann blickt sie ihren Gott voller Freude an. O, wie herzlich wird sie da empfangen! Da schweigt sie und begehrt über alle Maßen sein Lob. Da zeigt er ihr mit großem Verlangen sein Herz. Das gleicht rotem Gold, das in einem gewaltigen Kohlenfeuer glüht. Dann legt er sie in sein glühendes Herz. Wenn sich der erhabene Fürst und das arme Mädchen in dieser Weise umarmen und vereint sind wie Wasser und Wein, dann wird sie zunichte und weiß nichts mehr von sich. Wenn sie dann erschöpft ist, ist er liebeskrank nach ihr, wie er es immer war, denn er gewinnt nichts und verliert nichts. Da sagt sie: Herr, du bist mein Geliebter, meine Sonne, und ich bin dein Spiegel. So verläuft eine Hofreise der liebenden Seele, die ohne Gott nicht sein kann. Das hat Mechthild immer gesagt, diese Hofreise strebte sie wieder und wieder an.«
    Als sie geendet hatte, fühlte sie seinen nachdenklichen Blick auf sich ruhen. »Wie verwandt wir doch sind. Christen und Muslime:
    Im Uranfang sprach deiner Schönheit Strahl:
    Ich will begonnen sein!
    Und Liebe wurde geboren und trug ins All den Brand!
    Dein Antlitz offenbarte seinen Glanz
    Und sah die Engel ohne Liebe,
    da setzte es den Erdensohn entzückt
    in Liebesbrand.
    Wir alle suchen nur das eine, die Heimkehr zu dem einen Gott.«
    Wieder hatte er die Zeilen zunächst auf Persisch gesprochen und dann ins Lateinische übersetzt, sich allerdings entschuldigt, dass bei seinem armseligen Gebrauch des Lateins so viel verloren ginge.
    »Zumindest suchen wir den Ort, an dem Glück lebt und Neid und Bosheit unbekannt sind«, schränkte sie ein. Noch immer zweifelte sie an Gott, konnte nicht so unbeschwert, so ohne jede Skepsis und Einschränkung von ihm sprechen wie Mechthild oder Johannes oder eben Hafis. Die einzige Form, in der sie es konnte, war das Zitat. Wenn sie sich hinter den Worten und Bekenntnissen anderer verstecken durfte.
    »Nein, nach Medina gehen wir dennoch nicht«, beendete er das Gespräch.
    Am Abend fanden sie eine Gruppe von Pilgern, der sie sich bis Mekka anschlossen. Drängte es Hafis, die Kaaba zu sehen? Es gehörte zu den religiösen Pflichten eines Moslems, einmal im Leben nach Mekka zu reisen, den schwarzen Stein zu umrunden, anschließend den Berg Arafat aufzusuchen und auf dem Rückweg

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