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Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Titel: Das Geheimnis der Rosenkreuzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Klausen
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Niemals wäre er auf den Gedanken verfallen, nur Hüllen vor sich zu haben, niemals hätte er auch nur geahnt, dass sie ihre äußere Gestalt verlassen hatten und was sie in Wirklichkeit gerade taten. Sie liebten sich in der Verborgenheit.
    Nach einem Monat zeigte sich in der Ferne die Silhouette von Fès wie ein Scherenschnitt vor dem weiten Himmel über der Wüste. Maria befürchtete, nur einer Fata Morgana aufzusitzen, aber der Führer versicherte ihr, dass sie abends in der nordafrikanischen Stadt eintreffen würden.
    Fès war eine Stadt, die nur aus Musik zu bestehen schien. Bereits bei ihrem Einzug in die Stadt begleiteten sie die Yallahllalala-Rufe der Berberfrauen, die sie mit ihren Zungen so geschickt hervorbrachten. Sie klangen gefährlich und verführerisch zugleich. Vor der Stadt löste die Karawane sich auf. Maria und Hafis nahmen ihr Bündel und überließen ihre Kamele einem Diener Mansurs, von dem sie sich blumig verabschiedeten. Mit dem Lob des Dieners zollten sie seinem Herrn Respekt. Durch ein hohes, von mannshohen Zinnen gekröntes Stadttor betraten sie die alte Stadt. Dahinter empfing sie eine schmale Gasse, die von den Einheimischen Tala’A Seghira, kleine Stiege, genannt wurde. Die Gasse schien ein einziger Markt zu sein, angefüllt mit Waren, Händlern, die sich mit werbendem Singsang zu übertreffen suchten, Passanten und Käufern. Sie wichen einem dicken Mann, der einen beladenen Esel mit sich führte, in letzter Sekunde aus und traten dabei zwei anderen Männern auf die Füße, die sofort in ein wütendes Geschrei verfielen.
    »Bedrängt nicht einen armen Pilger!«, schnauzte Hafis die beiden an, die es nur auf ein Schmerzensgeld abgesehen hatten. Als sie das nicht beeindruckte, drehte sich Maria den beiden so zu, dass sie das Schwert sehen konnten, und funkelte sie zornig an. Die zwei Spitzbuben verstummten augenblicklich und verschwanden im Menschenstrom, der sich durch die Gasse wälzte. An einem Stand erwarb Hafis zwei Büschel Pfefferminze und reichte eines davon Maria mit der Bemerkung, dass sie es noch benötigen würde. Dann bogen sie bald schon nach links und unmittelbar darauf wieder nach rechts in die große Stiege ab. Wenn sie allerdings aufgrund des Namens gehofft hatten, so aus dem Gewühl herauszukommen und dass es auf der Straße etwas leerer sein würde, sahen sie sich bitter enttäuscht. Bei den vielen Menschen, an denen sie sich vorbeiquetschen mussten, war es schlicht unmöglich, einzuschätzen, ob diese Gasse tatsächlich breiter war.
    »Woher kommen bloß diese vielen Menschen?«
    »Alles trifft sich hier: Händler, Glückssucher, Studenten, Pilger, Menschen aus dem Maghreb, aus Al-Andalus, aus Kairo, aus Bagdad. An den hiesigen Medressen studie ren Tausende junger Männer. Fès ist die heimliche Hauptstadt der islamischen Welt, hier kommen Ost und West zusammen«, antwortete Hafis beschwingt. Aus irgendeinem Grund begeisterte ihn die Stadt mit ihrem vielfälti gen Gedränge und ihrem Klangreichtum. Fast an jeder Ecke bliesen Musiker auf Flöten, schlugen Trommeln und Tamburine, allerorten wurde Tee aus marokkanischer Minze getrunken, der die Lebensgeister belebte.
    »Da drüben siehst du das Herz der Universität«, wies Hafis sie auf die Universitätsmoschee al-Qairawiyin hin, deren Kachelfassade wie eine Flamme aus Farben loderte – blau zu Ehren der Stadt, grün als Symbol für den Islam, weiß für die Herrscher.
    »Warst du schon einmal hier?«, fragte sie den Perser erstaunt.
    »Nein, aber ich habe so viel darüber gelesen und gehört. Ich trage die Stadt in meinen Vorstellungen mit mir.«
    »Und? Entspricht die Realität deiner Fantasie?«
    »Fast.«
    »Nur fast?«, fragte sie gespielt enttäuscht.
    »Ja, weil ich mir nie hätte vorstellen können, dass es dich gibt und ich mit dir durch die Gassen der Stadt ziehen darf.«
    Sie schmunzelte.
    Auf ihrem Weg durch das Viertel der Gerber hielt sich Maria dankbar das Pfefferminzbüschel unter die Nase, denn der beißende Gestank von Urin, der zum Gerben der Tierhäute benötigt wurde und den die Hitze unerträglich verstärkte, hätte ihnen sonst den Atem geraubt.
    Wenig später verließen sie die Altstadt. Zwischen ihr und der Stadt des Sultans, El medinet El-Beida, nach ihrem hellen Leuchten weiße Stadt genannt, kauerte wie eine Art Niemandsland das jüdische Ghetto, das die Einheimischen Mellah nannten. Die Juden, die Steuern zahlten, hatte der Herrscher in seiner Nähe angesiedelt, denn sie standen als

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