Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
habe gehört. Ich komme gleich!«
Paracelsus war sichtlich verärgert. Er drehte sich um und wandte sich dem jungen Burschen zu.
»Die alte Parzer liegt im Sterben und verlangt nach mir.«
»Meister, wenn jemand stirbt, verlangt er nach einem Priester und nicht nach einem Arzt.«
»Ach, vielleicht hat sie Schmerzen und ich kann sie ein wenig lindern. Das kann ein Priester nämlich nicht.«
»Gott, der Herr, wird ihre Schmerzen lindern. Ihr solltet nicht gehen.«
»Papperlapapp, Klaus, ich gehe und komme gleich zurück.«
»Dann komme ich mit. Es ist schon nach Mitternacht.«
»Hast du schon wieder Angst um mich?«
»Ja, Meister, man hat schon zweimal nach Eurem Leben getrachtet.«
»Ach, du siehst Gespenster, Klaus. Das Eine war ein loser Dachziegel, den der Wind herabgeweht hatte. Und das andere Mal ist einem Bauern sein Gespann durchgegangen. Das kann jedem passieren. Nein, du bleibst hier und legst noch etwas Holz nach. Ich möchte noch ein wenig arbeiten, wenn ich zurückkomme.«
Der ältere Mann öffnete die Haustür und ging hinaus.
»Ach du bist es, Therese. Na dann komm und lass uns der alten Parzer den Tod erleichtern«, hörte Klaus seinen Meister sagen. Dann schloss sich die Tür.
Unruhig kaute der Diener auf seiner Unterlippe. Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Und Therese – ihr traute er nicht über den Weg. Therese war eine Dirne und verkaufte nicht nur ihren Körper. Sie würde glatt ihre Seele verkaufen, wenn sie damit ein Geschäft machen würde. Sorgenvoll legte Klaus ein paar Holzscheite in den Kamin, um das Zimmer aufzuheizen. Der September in diesem Jahr war besonders nass und kalt. Hoch droben auf den Bergen lag bereits der erste Schnee, im Tal und in der Stadt regnete es seit Tagen.
Die Gassen Salzburgs waren dunkel und menschenleer, der Himmel wolkenverhangen und es nieselte schon wieder. Schweigend folgte der Arzt der Dirne durch die Straßen und Gassen. Er hatte sein Leben lang keinen guten Orientierungssinn, darum verließ er sich stets auf Klaus. Doch jetzt, nach einer guten Viertelstunde des Weges, kam es ihm seltsam vor, das Haus der sterbenden Parzer noch nicht erreicht zu haben. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, dass sie so weit von ihm weg wohnte.
»Therese, wo führst du mich hin?«, wollte er mürrisch und misstrauisch wissen. Er dachte an Klaus’ Bedenken, seine Studien und die vielen Geheimnisse, die er noch enträtseln wollte.
»Wir haben es gleich geschafft, Doctor«, antwortete das Mädchen hastig und sah sich hektisch um. Plötzlich stolperte sie.
»Verflixt, jetzt hab ich mir den Fuß umgeschlagen«, jammere die Dirne.
»Lasst mich sehen. Das fehlt mir noch in dieser Nacht.« Der Arzt beugte sich schon nieder, um ihren Knöchel zu untersuchen. Doch schnell zog das Mädel den Fuß zurück. »Es ist nicht so schlimm. Außerdem sind wir gleich da. Geht Ihr weiter bis zum Ende der Gasse, Doctor. Rechts das letzte Haus. Es brennt noch Licht.«
Noch missmutiger und mit sichtlich schlechter Laune ging Paracelsus weiter. Als er das Ende der Gasse erreichte, stellte er fest, dass es eine Sackgasse war. Er stand vor einem Torbogen, hinter dem sich rechts ein Innenhof anschloss. Doch es brannte kein Licht, nirgends. Es war stockfinster.«
»Therese!«, rief er zurück, »hier ist nichts. Hörst du?« Er lauschte, aber er bekam keine Antwort. Zum Teufel mit der Parzer, dachte er bei sich. Klaus hatte wohl Recht. Die Dirne hatte ihm bestimmt einen Bären aufgebunden. Entschlossen drehte er sich um und wollte gehen, als plötzlich einige finstere Gestalten wie aus dem Nichts vor ihm auftauchten.
»Seid gegrüßt, ehrenwerter Doctore«, hörte er einen der Männer sagen, der sich Mühe gab, seiner Stimme einen italienischen Akzent zu verleihen.
»Noch so spät unterwegs?«
Die Männer kamen näher und bildeten einen Kreis um Paracelsus.
»Wer seid ihr und was wollt ihr? Lasst mich gefälligst durch. Ich muss zu einer Sterbenden. Ich muss ihr helfen.«
»Aber, Doctore, warum denn so unfreundlich. Wir wollen Euch doch nur helfen. Gebt uns, was wir verlangen, und Ihr werdet Euch sicherlich erleichtert fühlen.«
»Was seid ihr? Lumpen, Diebe, Wegelagerer, Beuteschneider? Ich habe nichts! Weder Geld noch sonstige Wertgegenstände. Nun lasst mich gefälligst in Ruhe und gehen.«
Die fremden Gestalten lachten auf.
»Aber, aber, Ihr wisst genau, was wir meinen. Ihr besitzt, sagen wir, eine Schatzkarte.«
»So ein Unsinn. Ich habe keine Schatzkarte.
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