Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Ihr das?«
»Ach, wisst Ihr«, tat Enja unschuldig, »Gestern war so ein merkwürdiger Geistlicher bei mir gewesen, ein notgeiler Pfaffe, wenn Ihr versteht, was ich meine. Und ich glaube, er erwähnte den Namen van Leuven. Ja, so hieß er wohl.«
»Da habt Ihr aber wirklich Glück gehabt, meine Teuerste. Nun denn, ich muss von dannen. Gehabt Euch wohl.«
Kaum war der Graf verschwunden, sprang Enja aus dem Bett und zog sich an. Hastig eilte sie zu ihrer Hütte, wo Marinus schlief. Jetzt wusste sie, was mit Maurus geschehen war! Man hatte ihn eingesperrt! Doch Marinus kannte die Wahrheit. Nur der Junge konnte Maurus retten!
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Maurus hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Verzweifelt hatte er in seiner Zelle ausgeharrt, auf jedes Geräusch gehört, Stöhnen und Röcheln aus den benachbarten Verliesen vernommen. All sein Rufen hatte nichts geholfen, hatte ihm nur die Schläge der Wärter eingebracht, die er beim Karten- und Würfelspiel unterbrochen hatte. Sein linkes Auge schmerzte, der Bluterguss war nicht zu übersehen. Auch das Kinn tat ihm weh, denn einer der Wärter hatte ihm einen kräftigen Faustschlag versetzt.
Verloren, dachte er, alles verloren, während er die Ratten beobachtete, wie sie sich über das Essen hermachten, das man ihm in die Zelle gestellt hatte.
Er hörte, wie der Schlüssel in der Zellentür herumgedreht wurde.
»Raus!«, schnarrte eine raue Stimme.
»Du frei!«
Ungläubig starrte Maurus den Wärter an.
»Komm schon! Keine Zeit!«
Der Mann trat auf ihn zu, packte ihn beim Arm, zog ihn hoch und schubste ihn vor sich her. Zwei Soldaten nahmen ihn in Empfang und geleiteten ihn zum Wachhaus.
Dort erlebte Maurus eine Überraschung. Enja und Marinus warteten dort auf ihn und nahmen ihn freudig in Empfang.
»Gott sei Dank, Ihr lebt«, sprach Enja voller Freude.
»Maurus, Frater Maurus.«
Jetzt trat ein Mann lächelnd auf ihn zu und reichte Maurus die Hand.
»Ich bin der Sekretär Ihrer Königlichen Hoheit Prinzessin Isabella, Infantin von Spanien und Portugal. Ihre Hoheit erwartet Euch in ihrem Audienzzimmer. Darf ich Euch zu ihr geleiten?«
Verwirrt blickte Maurus zwischen Marinus, Enja und dem Sekretär hin und her. Enja nickte ihm zu.
»Ja gerne, selbstverständlich. Ich muss Ihrer Königlichen Hoheit wichtige Nachrichten überbringen«, stammelte Maurus dann. Der Sekretär nickte und wies ihm mit der Hand den Weg.
»Wir sehen uns nachher!«, rief ihm Enja hinterher.
Maurus drehte sich um, lächelte und nickte. Dann folgte er dem Sekretär ins Audienzzimmer der spanischen Infantin.
Kapitel 30
Salzburg, Paracelsus’ Botschaft
Salzburg, Juni a. d. 1626
Es war bereits später Abend, als Matthias’ Kutsche die Tore Salzburgs erreichte. Schwere Unwetter hatten ihre Reise beeinträchtigt und zu manchen Umwegen gezwungen. Matthias gab dem Kutscher Anweisung, am nächsten Gasthof zu halten und um eine Unterkunft nachzufragen. Innen und rund um die Stadt herrschte rege Bautätigkeit. Paris Graf von Lodron, seines Zeichens Erzbischof von Salzburg, ließ die Stadt zu einer starken Festung ausbauen und weiträumig rund um die Stadt starke Wehrbauten errichten.
Bereits bei seiner zweiten Anfrage hatte der Kutscher Glück und konnte ein Quartier machen. Matthias ging sogleich zu Bett, denn er war von der anstrengenden Fahrt ermüdet und wollte am nächsten Morgen ausgeruht Andreas Gassenhöfer aufsuchen, der ihm etwas über Paracelsus’ Geheimnis verraten konnte. Während er sich für das Nachtlager vorbereitete, dachte er noch mal über die ersten Tage seiner Reise nach. Das Zusammentreffen mit den Juden in Frankfurt, sein merkwürdiger Besuch in der Komturei des Deutschen Ordens in Mergentheim sowie das lange Gespräch, das er mit Johannes Kepler geführt hatte. Beinahe schien es ihm so, als hätte ihn Churfürst Ferdinand ganz gezielt auf diese Reise geschickt, damit er weitere Geheimnisse erfahren würde. Bei dem Gedanken musste Matthias lächeln, denn das war gewiss nicht das Ziel seines Churfürsten. Doch es war das Geheimnis der Rosenlinie, das ihn leitete. Ein Hinweis führte ihn zum nächsten und wieder zum nächsten. Türen öffnen sich vor und schließen sich hinter einem und nach und nach wird man erfüllt von einem magischen Gefühl, dem göttlichen Geheimnis Schritt für Schritt näher zu kommen.
Carmen hatte es ihm einst erklärt, Dinge, die ihm Fludd bereits in Paris gesagt hatte, nochmals erläutert. Carmen! Wo mochte sie jetzt sein? Wie ging es ihr? Mit diesen
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