Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Es dauerte noch einige Stunden, bis der entkräftete Körper des Arztes aufgab und die Seele nach dem letzten Atemzug entwich. Bereits zwei Tage später fand die Beerdigung statt. Zu Klaus’ großem Erstaunen nahmen recht viele Würdenträger aus Salzburg und anderen deutschen Landen an der Beisetzung teil. Die Trauermesse wurde sogar vom Erzbischof höchstpersönlich gehalten. Klaus fiel auf, dass sich sehr viele für den Sarg des Verstorbenen interessierten und auch, wie er ins Grab gelassen wurde. Dabei kamen ihm die Worte seines Meisters wieder in den Sinn: »Sie werden mich nicht einmal in meinem Grab in Ruhe lassen ...«
Nach der Beisetzung blieb Klaus noch eine Weile am Grab stehen. Er sah den Totengräbern bei ihrer Arbeit zu. Als sie das Grab zugeschüttet hatten, nahmen sie ihre Schaufeln und gingen davon. Jetzt war er alleine und ließ seinem Schmerz und seinen Tränen freien Lauf. Das Schicksal hatte ihn hart getroffen, denn außer seinem Meister hatte er niemanden mehr, denn er war als Waise aufgewachsen. Plötzlich hörte er in der Nähe der St. Sebastiankirche aufgeregte Stimmen. Er suchte mit seinen Augen die Umgebung ab, doch er konnte nichts sehen. Er lauschte erneut den Stimmen und hörte dann Folgendes:
»Und ich hatte euch ausdrücklich gesagt, dass ihr ihn nicht umbringen sollt. Lebend wäre er mir wertvoller gewesen. Nun war alles umsonst!«
»Aber wir haben ihn doch gar nicht getötet«, beschwerten sich die Männer, »verprügelt ja, aber wir haben ihn nicht getötet. Wir sollten ihn doch ausdrücklich einschüchtern.«
Für einen Augenblick herrschte Stille.
»Geht jetzt und schweigt. Niemand darf etwas erfahren. Die Organisation kann nur dann fortbestehen, wenn sie im Dunkeln arbeiten kann. Ein Wort von euch und ihr seid alle des Todes.«
Jetzt sah Klaus jemanden durch das offene Kirchenportal treten. Schnell versteckte er sich hinter einem hohen Grabstein und erkannte erschrocken den Erzbischof von Salzburg.
»Und denkt daran«, sprach der Geistliche weiter, »niemand darf etwas über die wahre Rosenkranzbruderschaft erfahren, selbst der Papst nicht. Sorgt dafür, dass die Männer schweigen, und sucht mir den Jungen. Ich muss wissen, was jener weiß.«
Der Fremde nickte und verschwand. Klaus lief es indes kalt den Rücken herunter. Er rang nach Luft, denn er hatte jetzt begriffen, in welch gefährliches Spiel er mit dem Vermächtnis seines Meisters verstrickt war.
Nachdenklich legte Matthias die Aufzeichnungen beiseite. Erneut war er auf Hinweise auf eine geheime Gesellschaft gestoßen, die sich hinter der Rosenkranzbruderschaft verbarg. War das Paracelsus’ Geheimnis, von dem Kepler sprach? Oder waren es mehr die Hinweise auf verborgene Schätze, um die es hier ging?
Noch während er seinen Gedanken nachhing, öffnete sich die Tür und Andreas Gassenhöfer steckte den Kopf herein.
»Entschuldigt, wenn ich Euch störe, aber ich bin ein schlechter Gastgeber. Darf ich Euch etwas anbieten, etwas zu trinken oder zu speisen?«
Matthias lächelte. »Nein danke. Ich bin auch schon fertig.«
»Ach, tatsächlich?« Gassenhöfer öffnete die Tür vollends und trat ein.
»Ja, aber ich hätte da noch ein paar Fragen. Vielleicht könnt Ihr mir weiterhelfen.«
»Dann fragt.«
»Nun, kennt Ihr diesen Bericht?«
Gassenhöfer nickte.
»Ja, jeder, an den er weitergereicht wird, muss ihn sich einprägen, damit das Wissen nicht verloren geht.«
»Das Wissen? Was meint Ihr damit?«
»Diese Aufzeichnungen bergen ein Geheimnis in sich, das von immenser Bedeutung ist. Es darf nicht in die falschen Hände geraten, damit es nicht verloren geht. Aber andererseits darf es auch noch nicht öffentlich werden, da die Menschheit noch nicht bereit dafür ist.«
Matthias zog die Augenbrauen hoch.
»Was meint Ihr damit, Gassenhöfer?«
Der Notar beugte sich jetzt nach vorne und flüsterte.
»Unmittelbar nach dem Gespräch, das Paracelsus’ Diener belauscht hatte, musste er um sein Leben bangen und fliehen. Er schaffte es gerade noch, meinen Urahn zu warnen, der fortan auf der Hut war. Klaus wurde des schweren Diebstahls von Kircheneigentum bezichtigt und überall gesucht. Hätte man ihn gefangen, so hätte ihm die Todesstrafe gedroht. Das Schicksal, oder nennen wir es Gottes Fügung, brachte jedoch meinen Urahn mit dem Erzbischof zusammen, da dieser systematisch ganz Salzburg nach Aufzeichnungen von Paracelsus durchsuchen ließ. Dabei erfuhr mein Ahnherr, dass man Paracelsus der Verbreitung
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