Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
sein. Hat keine Pfaffenmütz’ auf«, zischte der andere und versperrte dem Kaplan sogleich den Weg. »Noch so spät unterwegs?« Grinsend bauten sich die beiden Halunken vor dem Priester auf.
»Was wollt Ihr?«, rief der Kaplan überrascht.
»Euch in die Hölle schicken, Jesuit! Der Teufel erwartet Euch bereits!«
Noch ehe Arjen Braafheid reagieren und antworten konnte, hatte ihn einer der beiden Meuchelmörder gepackt und den Mund zugepresst. Ein langer Dolch blitze auf. Der andere stach hämisch grinsend mehrfach auf den Priester ein. Den Schnitt durch seine Kehle spürte der junge Kaplan bereits nicht mehr.
Maurus saß schon sehr früh am nächsten Morgen im Schankraum des Gasthauses, trank entgegen aller Gewohnheit einen Becher Wein und aß ein Stück Dörrfleisch mit Brot. Der Wirt stand hinter der Theke und spülte, als eine Schankmagd aufgeregt herein kam.
»Ihr glaubt nicht, was ich eben erlebt habe«, rief sie völlig außer Atem.
»Na was denn? Hat dich dein Alter heute Morgen beglückt?«, maulte der Wirt barsch.
»Ach, red keinen Unsinn. Sie haben an der Kathedrale einen Toten gefunden. Ermordet, mit aufgeschlitzter Kehle.«
»Haben sich irgendwelche Strauchdiebe gegenseitig ins Jenseits befördert?« Der Tonfall des Wirts war jetzt nicht mehr so schroff.
»Nein! Stell dir vor: Es war dieser nette Kaplan von Sint Baafs !«
Als Maurus das hörte verschluckte er sich und musste husten. Der Wirt und die Magd schauten in seine Richtung.
»Fehlt Euch was, Herr?«
»Nein, nein, alles in Ordnung. Es ist nur, solche Schreckensnachrichten vertrage ich nicht so früh am Morgen.«
Die beiden schenkten ihm keine Beachtung mehr und unterhielten sich weiter.
»Weiß man, wer es war?«, fragte der Wirt weiter.
»Nein, noch nicht. Aber man vermutet, dass es ein anderer Geistlicher war. Zwei Männer hatten gestern Abend beobachtet, wie sie zusammen die Kathedraal verließen. Jetzt sucht man in der ganzen Stadt nach einem unbekannten Geistlichen.«
Maurus zuckte zusammen, sein Magen krampfte und der Schrecken jagte ihm heiße und kalte Schauer über den Rücken. Sein Kragen war plötzlich zu eng, so dass er kaum noch Luft bekam. Abrupt stand er auf.
»Was bin ich Euch schuldig, Wirt?«, unterbrach er die Unterhaltung. Der Wirt musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Seid Ihr nicht ein Geistlicher?« Der Wirt blickte Maurus jetzt misstrauisch an.
»Warum sollte ich?«
Statt zu antworten, deutete der Wirt auf Maurus Talar.
»Ach so, Ihr meint meine Kleidung. Nein, nein, ich bin Anwalt. Anwälte tragen auch einen Talar. Also, was bin ich Euch schuldig?«
»Was habt Ihr?«
»Gulden und Taler.«
»Dann gebt mir drei Gulden und Ihr habt eine Stunde Zeit, ehe ich die Wachen alarmiere.«
»Ihr glaubt mir nicht?«
»Nein!«
»Na schön. Ich gebe Euch drei Goldgulden und versichere Euch meine Unschuld. Aber dafür lasst Ihr mir zwei Stunden Vorsprung.«
»Fünf Goldgulden!«
Maurus schüttelte den Kopf und warf dem Wirt die geforderten Gulden hin. Dann rannte er in Windeseile in seine Kammer, packte seine Sachen und war fortan auf der Flucht.
3. Überfall der Korsaren
Anderthalb Tage nach seiner Flucht hatte Maurus Antwerpen erreicht. Müde und hungrig hatte er den Hafen erreicht und sich sogleich auf die Suche nach einem Schiff gemacht. Aus Furcht entdeckt zu werden, trieb er sich in Spelunken am Hafen herum. Nach einigem Fragen hatte er Glück. Der Kapitän einer spanischen Karavelle schien keine Fragen zu stellen, nannte seinen Preis und im Gegenzug nach Erhalt des ausgehandelten Preises den Liegeplatz seines Schiffes, der Afrodita.
In der griechischen Mythologie ist Aphrodite die Göttin der Liebe und der Schönheit. Nach einer Sage wurde sie aus dem Schaum des Meeres geboren, doch so sah das Schiff keinesfalls aus. Es glich eher einem armen Seelenverkäufer, einer abgetakelten Fregatte, deren beste Tage dem Ruhm einer längst verloren Vergangenheit angehörten. Die Mannschaft auf dem Schiff bestand nur aus spanischen Seeleuten. Ein schmutziger Haufen verwegen wirkender Matrosen, die dem Galgen näher schienen als dem Himmelreich.
Zu Maurus’ Überraschung waren die Laderäume des einstigen Schnellseglers voll. Tee, Tabak, Tuch und vieles mehr waren unter Deck verstaut. Zur Verteidigung gab es zehn Geschütze an Bord, die, so hoffte Maurus inständig, jedoch nicht zum Einsatz kommen würden. Außerdem war neben Maurus noch ein weiterer Gast an Bord. Ein knurriger holländischer Kaufmann um die
Weitere Kostenlose Bücher