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Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Titel: Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Esch
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Ich habe dort im Kamin ein Feuer entfachen lassen und wärmende Kohlebecken aufgestellt.«
    Im Empfangszimmer wurde Carmen und ihren beiden Begleitern Wein und Gebäck serviert.
    »Nach dem Mittagsgebet wird es eine warme Mahlzeit geben. Ich habe ein Lamm schlachten lassen«, erklärte Juan Briz Martinez seinen Gästen.
    »Zur Vesper werden wir eine Messe zu Ehren von Maria Magdalena halten.«
    »Ich freue mich, dass wir es noch rechtzeitig geschafft haben, um an dieser Messe teilzunehmen, ehrwürdiger Vater«, erwiderte Carmen de Silva. »Dennoch muss ich gestehen, dass mir das Wetter dort draußen großes Unbehagen bereitet. Ich habe so ein ungutes Gefühl, versteht mich jetzt bitte nicht falsch. Aber ich glaube, irgendetwas braut sich dort draußen zusammen.«
    Der Abt nickte wissend.
    »Ich stimme Euch zu, meine Tochter, und ich habe auch schon die alten Chroniken durchforstet. Es ist beinahe wie vor fast 285 Jahren, als ein Mann den Stuhl Petri bestieg, den ich aus heutiger Sicht betrachtet mehr als einen Sendboten des Antichristen ansehe denn als einen frommen Diener Gottes. Es war Pierre Roger, der als Papst den Namen Clemens VI. annahm. Ihn wählte das Konklave am 7. Mai 1342 zum neuen Papst. Und mit ihm kam großes Unheil über die heilige Mutter Kirche und die Christenheit. Er lebte verschwenderisch, war ein Nepotist, denn er brachte acht seiner Neffen und andere nahe Verwandte in hohe kirchliche Ämter, in Kardinalsränge. Heerscharen von Mätressen und Günstlingen errangen großen Einfluss und sammelten riesige Vermögen unter seinem Pontifikat an. Dabei entwickelte er verbrecherische Methoden der Geldbeschaffung. Er bannte jeden Sonntag erneut den Kaiser, was schließlich dazu führte, dass Katharina von Siena und Birgitta von Schweden ihn anklagten. Birgitta nannte ihn gar einen Amator Canis, einen unverschämten Lüstling. Seine Dekadenz gipfelte darin, dass sein Grabmal mit 44 Marmorsäulen ausgestattet wurde. Er bestimmte sogar, dass dort seine sämtlichen Nepoten beigesetzt werden sollten, was auch seine Frauen, Kinder und Enkelkinder betraf. Ein Sakrileg vor den Augen des Herrn , ein Sakrileg, das später von den calvinistischen Protestanten gerächt wurde, denn sie zerstörten dieses Monument der Selbstverherrlichung eines meiner Meinung nach falschen Papstes.
    Doch dies war beileibe nicht alles. Kurz vor dem Magdalenentag färbte sich der Himmel über Europa schwarz und öffnete seine Schleusen. Einer Sintflut gleich wurden die Länder Mitteleuropas, besonders die deutschen Lande, überschwemmt, so dass in den Fluten Hunderte, ja Tausende starben. Heute ist wieder Magdalenentag!«
    Stille kehrte ein. Nur das Knistern des Feuers im Kamin war zu hören. Fröstelnd rieb sich Carmen die Oberarme. Der Caballero Jarviar Santos saß wie versteinert da und Miguel Hidalgo, der Sohn eines Müllers, blickte verlegen in die Flammen und rieb sich die Hände.
    »Wollt Ihr uns damit sagen, dass uns der Himmel ein Zeichen setzt, Padre?«, unterbrach Carmen die beklemmende Stille.
    »Ich fürchte ja, meine Tochter. Nur kann ich noch nicht ausmachen, was für eine Katastrophe über uns hereinbrechen könnte.«
    Wieder herrschte einen Augenblick lang Stille.
    »Wenn es damals eine Flut war und es jetzt draußen schneit, ja sogar friert, droht uns dann vielleicht ein ewiger Winter?«, fragte Miguel Hidalgo, ohne den Blick von den Flammen im Kamin abzuwenden.
    »Ja vielleicht, vielleicht auch Schlimmeres.«
    »Ein Sommer, der ein Winter ist!«, bemerkte Miguel tonlos.
    »Ich habe es bisher noch nicht erzählt«, begann Carmen mit zitternder Stimme, »aber ich habe vor wenigen Tagen etwas Schreckliches gesehen. Ich sah, wie eine Taube in der Luft von einer Krähe angegriffen wurde. Die Krähe bohrte ihren spitzen Schnabel tief in das Gefieder der Taube. Sie stürzte zu Boden. Ich lief zu der Stelle, wo das Tier abgestürzt war. Der Anblick war grauenhaft. Die Krähe hatte der Taube das Herz herausgerissen.«
    Der Abt erhob sich und trat vor das Kruzifix an der Wand.
    »Lasst uns gemeinsam beten«, sprach er, »und den Herrn darum bitten, den Kelch des Unheils an uns vorüberziehen zu lassen. Dennoch muss ich Euch sagen, die Wege des Herrn sind unergründlich und wir sind, was wir sind vor den Augen des Herrn . In nomine patri et filii et spiritui sancti. Amen. «
    Juan Briz Martinez fiel vor dem Kruzifix auf die Knie und betete. Die Anderen folgten seinem Beispiel.

Kapitel 35
Vatikanstadt
    Portus Romae, 22. Juli a.

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