Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
und folgte ihm zu den Unterkünften unter Deck. Auf dem Weg dorthin saßen einige Matrosen zusammen. Raunend erzählte ein alter, verwegen aussehender Seemann mit einem Stoppelbart im Gesicht, den anderen Geschichten.
»Was erzählt er da?«, fragte Matthias.
»Das wollt Ihr bestimmt nicht wissen«, entgegnete Theophil.
»Aber doch, Pater. Lasst mich wissen, was der alte Seebär den anderen erzählt.«
»Na schön, wenn Ihr unbedingt wollt!«, seufzte der Pater und übersetzte des Gespräch:
…wenn ich es Euch doch sage: In der Straße von Messina leben seit Jahrhunderten zwei Ungeheuer. Eines schrecklicher als das andere. Sie gehorchen Niemandem. Selbst Gott weiß diese Biester nicht zu bändigen. Das eine Ungeheuer hört auf den Namen Skylla – war einst ein schönes Mädchen, die Tochter des Flusses Krataiis. Der Meeresgott Glaukos liebte sie, doch eine böse Zauberin namens Circe war eifersüchtig auf das schöne Kind. Darum vergiftete Circe das Meer, in dem Skylla gerne badete. Als das Mädchen wieder aus dem Wasser stieg, war sie entstellt, denn es wuchsen ihr aus dem Unterleib sechs Hundeköpfe und zwölf Hundefüße. Skylla war fortan bestrebt, sich für das Unrecht zu rächen und wurde zum wilden Tier. Die Skylla lebte auf einem Felsen gegenüber einem anderen, noch grausameren Ungeheuer, das die Menschen ehrfurchtsvoll Charybdis nannten.
Charybdis ist ohne jede Gestalt, unfassbar wie der Wind. Sie saugt dreimal am Tag das Meerwasser ein, um es danach brüllend wieder auszustoßen. Schiffe, die in den Sog geraten, sind auf immer und ewig verloren. Der Himmel verfärbt sich dann, so wie jetzt! Manchmal zeigt sie sich am Himmel als ein riesiger, dämonenhafter Mund oder braven Seemännern, deren Schicksal besiegelt ist als gigantischer Wasserstrudel.
Zusammen sind sie das Übel aller Übel schlechthin!
»Seemannsgarn«, kommentierte Matthias belustigt. »Gespenstergeschichten, die man sich gerne erzählt. Ihr glaubt doch nicht etwa an dergleichen, oder?«
Pater Theophil lächelte nur zaghaft.
»Ich glaube allein an unseren Gott im Himmel und an die Heilige Mutter Kirche. Aber ich glaube auch, dass an mancher Legende auch ein Fünkchen Wahrheit ist.«
Der Sturm brach schneller als geahnt über sie herein. Plötzlich verfärbte sich der Himmel ganz schwarz. Der Wind nahm zu und türmte mit seiner Macht Wellenberge vor ihnen auf. Segel drohten zu zerreißen und die Masten zu brechen. Das Schiff schwankte entsetzlich zwischen den Wellen und wurde zum Spielball der Naturgewalten. Es war als ob die Charybdis ihren gigantischen Schlund öffnete, um das Schiff zu verschlingen. Gleichzeitig griff Skylla mit ihren Fangarmen nach dem Segler und beide Ungeheuere zerrten das Boot hin und her.
Die Matrosen in den Wanten hatten größte Mühe, die Segel zu raffen. Der Sturm wurde stärker und blähte sich zum Orkan auf. Das Brüllen des Windes, das Tosen des Meeres übertönte alles. Charybdis und Skylla tobten, entfesselten ihre Urgewalten. Die Straße von Messina wurde ihrem unheimlichen Ruf gerecht.
Der Kapitän befahl allen sich anzuleinen, irgendwo zu sichern. Theophil kniete und betete, doch niemand der anderen an Bord nahm ihn wirklich wahr. Dann geschah das Unglück! Als erstes brach der Besanmast. Er brach wie ein dürrer Stock und fiel krachend auf das Ruder, das sofort blockierte. Das Schiff war manövrierunfähig und schlingerte haltlos durch die Wellentäler. Es trudelte genau auf einen riesigen Wellenberg zu, der sich gigantisch vor ihnen auftürmte. Charybdis Schlund, bestialisch, todbringend.
Die leichte Pinasse konnte dieser Gewalt nicht mehr trotzen. Das Schiff kenterte und zerbrach unter der Macht der über sie hereinbrechenden Riesenwelle in zwei Teile und sank.
Kapitel 38
Die Hexenjagd
Aragón, Spanien im August a. d. 1626
Sie kamen aus der Bischofsstadt Jaca. Mühsam bahnte sich der zwanzigköpfige Reitertrupp seinen Weg durch das unwegsame Gebirge. Der Bischof von Jaca hatte sie beauftragt, den Abt des Klosters San Juan de lan Peña zu verhaften. Juan Briz Martinez wurde vorgeworfen, mit verbotenen Schriften Handel zu treiben und häretisches Gedankengut zu verbreiten. Außerdem munkelte man, dass er hin und wieder Kontakt zu einer Hexe pflegen sollte.
Die Mönche in dem abgelegenen Höhlenkloster waren vielen suspekt, ja unheimlich. Hinter vorgehaltener Hand sprach man von seltsamen Riten und dämonischen Zeremonien, die man dort abhielt.
Ein Brief aus Rom hatte den Bischof zum
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