Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Handeln gezwungen. Juan Estelrich war schon betagt und duldete das Treiben im Kloster. Außerdem schätzte er den Abt als einen angenehmen, unterhaltsamen Gesprächspartner. Juan Briz Martinez war nicht einfach ein Abt, er war auch Professor für Theologie und hatte dementsprechend einen Lehrstuhl an der Madrider Universität. Er wusste viel über alte Legende, hatte manche spannende Geschichte parat. Ein Mann, der unter seinen Studenten geachtet und beliebt war.
Doch jetzt hatte Bischof Estelrich schlimme Nachricht aus Rom erhalten. Der Mann, den er für einen Freund hielt, soll unverhohlen mit verbotenen Büchern gehandelt haben und ketzerisches Gedankengut lehren und verbreiten. Die Stimme des Heiligen Offiziums war eindeutig, er musste handeln. So hatte er den Kommandanten der Zitadelle von Jaca gebeten, Juan Briz Martinez in Gewahrsam nehmen zu lassen. So war Capitán Antonio Gimenez jetzt mit einem Trupp erfahrener Soldaten unterwegs, um den Abt von San Juan de la Peña nach Jaca bringen zu lassen.
Kaum waren die Männer von Jaca aus aufgebrochen, setzte schlechtes Wetter ein. Ein kalter Wind fegte von den Bergen herab und die Männer auf ihren Pferden zittern. Es folgte eiskalter Regen, der, je höher sie kamen, langsam aber sicher in Schnee überging.
Ein Soldat trieb sein Pferd neben das des Hauptmanns.
»Die Menschen in den Dörfern haben recht, El Capitàn«, sprach er den Truppführer an. Capitán Gimenez warf dem Soldaten einen missbilligenden Blick zu.
»Was meinst du, Mann. Drück dich gefälligst klarer aus!«, herrschte er den Reiter an.
»Das Wetter, Herr. Das ist doch um diese Jahreszeit nicht normal. Schnee im August! El Capitán, es geht hier nicht mit rechten Dingen zu.«
Der einfache Soldat sah seinen Hauptmann an. Doch der schwieg, antwortete nicht.
»Herr, die Leute in den Dörfern sagen, dass dort oben auch Hexen hausen. Die Mönche, sie buhlen mit ihnen und feiern seltsame Rituale.«
»Und? Was hat das mit dem Wetter zu tun?«, antwortete der Hauptmann jetzt.
»Die Mönche dort oben und die Hexen! Sie wissen, dass wir kommen, um ihren Meister zu holen. Sie schicken uns das Wetter, um uns aufzuhalten.«
»Glaubst du, was du da sagst, Mann?«
»Si, El Capitán. Viele von uns glauben das. Wir sollten vielleicht umkehren.«
Abrupt zügelte Antonio Gimenez sein Pferd und drehte es seinem Trupp entgegen. Er sah in die Gesichter der ihm anvertrauten Soldaten, eines nach dem anderen musternd. Unbehagen, Furcht, Unentschlossenheit waren in einigen zu lesen. Er musste etwas unternehmen, mit den Männern sprechen, damit sie nicht wie Angsthasen davonjagten.
»Männer, wenn Ihr glaubt, dass dort oben Hexen und Dämonen wohnen, dann ist es unsere heilige Pflicht, unsere Familien, die Menschen dieser Region vor ihnen zu schützen. Dann müssen wir erst recht dieses Kloster erreichen, um dem unseligen Wetterzauber ein Ende zu bereiten. Seid Ihr dazu bereit?«, rief er laut. Ein Raunen ging durch die Reihen.
»Soldaten, liebt Ihr Eure Familien?«
»Ja!«, schallte es aus allen Kehlen.
»Seid Ihr bereit, für das Leben eurer Familien zu kämpfen?«
»Ja!«
»Glaubt Ihr an Gott?«
»Ja!«
»Dann braucht Ihr den Tod nicht zu fürchten und erst Recht keine Hexen und Dämonen. Gott will, dass wir sie von dort oben vertreiben. Und jetzt folgt mir Männer!«
Der Hauptmann riss sein Pferd herum und trieb es an, den Bergpfad hinauf. Seine Soldaten folgten ihm, der eisige Wind, der Schnee, die glitschigen Wege auf dem Weg nach San Juan de la Peña machten ihnen plötzlich nichts mehr aus.
Das Kloster war von Wolken verhüllt, doch als die Soldaten die Klosterpforte erreichten, riss der Himmel auf und die Sonne blendete sie beinahe.
»Was habe ich Euch gesagt, Männer? Gott ist mit uns! Die Sonne ist sein Zeichen. Der Herr wollte, dass wir unser Ziel erreichen. Und nun lasst uns das Kloster besetzen, diesen Abt und seine Hexenbrut verhaften.«
Kapitel 39
In der Hand der Muslime
Die Straße von Messina, 1. August a. d. 1626
Irgendwie schaffte es Matthias, dem tödlichen Sog des sinkenden Schiffes zu entrinnen. Mühsam kämpfte er auf dem Weg zur Wasseroberfläche, mit Armen und Beinen heftig rudernd, gegen den Strudel, der ihn in die Tiefe ziehen wollte. Mit offenen Augen versuchte er, sich im Salzwasser zu orientieren. Doch das tosende Meer schien im Augenblick nur eine dunkle, kalte Masse zu sein. Er spürte, wie Luftblasen in seiner Nähe aufstiegen. Daran orientierend bewegte er sich der
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