Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
wem?«
»Das darf ich Euch nicht sagen, das ist geheim«, entgegnete der Knabe. Dabei blitzten seine weißen Zähne.
»Dann sag mir schon die Nachricht und stiehl mir nicht die Zeit.« Theophils Ton war wieder rauer.
»Ein Mann will Euch gegen zehn heute Abend vor der Kirche Unsere Jungfrau vom Siege treffen.«
»Warum sollte mich das interessieren, Junge?«
Der Kleine hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
»Das weiß ich nicht. Aber mein Freund, der Mann, sagte: Wenn Ihr die Wahrheit über den Blender wissen wollt, dann müsst Ihr unbedingt kommen.«
»Was für eine Wahrheit? Und wer ist der Blender?«
»Ihr kennt den Blender nicht?«, fragte der Junge ganz erstaunt. »Na, das ist doch dieser verrückte Maler!«
Ob er etwa Caravaggio meint?, dachte Theophil erst still bei sich, um dann laut zu fragen:»Heißt der Blender vielleicht Caravaggio?«
»Das weiß ich nicht«, zwitscherte der Knabe, drehte sich um und lief davon.
Kopfschüttelnd blickte Theophil dem Jungen nach und schloss wieder die Zimmertür. Der Gang vor der Tür war in dunkles Dämmerlicht getaucht. Niemand sah den grauen Schatten, der sich nun von der Wand löste und die Treppe zur Gaststube hinunter stieg.
Wieder klopfte es an Theophils Tür. Der Junge, er ist zurück, schoss es dem Pater durch den Kopf und er riss die Tür auf. Verlegen sah er Matthias ins Gesicht.
»Ach, Ihr seid’s«, sagte er und gab den Eingang frei, »tretet ein.«
»Ihr seht aus, als hättet Ihr ganz jemand anderen erwartet, Pater«, bemerkte Matthias amüsiert.
»Unsinn, ich war nur in Gedanken vertieft. Das ist alles, Commissarius.«
»Na schön, dann will ich es dabei bewenden lassen. Seid Ihr fertig?«
»Womit?«
»Na, mit Packen. Wir wollten doch zusammen nach Rom!«
»Was? Jetzt? Zu so später Stunde?«
»Was denkt Ihr denn? Das Leben eines Freundes hängt von meiner Mission ab. Glaubt Ihr, da hätte ich alle Zeit der Welt, Pater?«
»Nein, natürlich nicht, entschuldigt«, stammelte Theophil, der in Gedanken eigentlich ganz woanders war, nämlich bei jenem Fremden, der ihn unbedingt sprechen wollte, um ihm die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit über Caravaggio!
»Schön, dann nehmt Eure Sachen und lasst uns zum Hafen gehen. Wollen wir doch einmal sehen, ob uns unser Retter auch nach Rom bringt.«
»Wer? Äh, ich meine, der Ägypter?«
»Ja, kennt Ihr sonst noch einen erfahrenen Seemann, der uns schnellstmöglich nach Rom bringen kann?«
»Nein! Aber ich habe vorher noch etwas zu erledigen.«
»Jetzt um diese Zeit? Pater, wir haben späten Abend!«
»Ja, ich weiß und es tut mir auch Leid. Aber ich habe vorhin jemandem versprochen, ihm die Beichte abzunehmen.«
»Dann macht das und beeilt Euch.«
»Aber das ist nicht so einfach. Er wollte, dass ich das in einer Kirche mache, der Kirche Unsere Jungfrau vom Siege. «
»Na gut, Pater. Dann macht, was Eure Christenpflicht ist. Aber ich gehe schon einmal vor und versuche al Mazar klar zu machen, dass er uns nach Rom bringen muss.«
»Viel Glück dabei, Commissarius. Ich komme, so schnell ich kann. Ich werde Euch dann wieder als Übersetzer zur Verfügung stehen.«
Theophils Sachen waren schnell gepackt. Es war nur ein kleines Bündel, das er mit sich führte. Nach einigem Suchen hatte er schließlich die Kirche Unsere Jungfrau vom Siege gefunden. Unsicher blickte er sich nach allen Seiten um. Er war allein. Ob ihn der Knabe nur an der Nase herumgeführt hat? Unschlüssig stand er da und gerade als er beschlossen hatte, wieder zu gehen hörte er eine Stimme.
»Schön, dass Ihr gekommen seid, Padre!«
Theophil drehte sich um, doch es war niemand zu sehen.
»Ich bin hier, hier im Schatten der Kirche.«
Jetzt konnte der Pater hören, woher die Stimme kam und bewegte sich darauf zu.
»Warum versteckt Ihr Euch hier?«, fragte Theophil den Mann mit dem Vollbart und den verfilzten Haaren.
»Ich musste erst sicher sein, dass Ihr wirklich allein seid. Das, was ich Euch zu sagen habe…« Der Fremde unterbrach sich, schaute sich forschend um. Er glaubte, irgendwo ein Geräusch gehört zu haben.
»Habt Ihr das gehört, Padre?«
»Was, ich habe nichts gehört«, entgegnete der Pater unwillig. »Was habt Ihr mir zu sagen? Nun, sprecht, meine Zeit ist begrenzt, denn ich muss zurück nach Rom!«
»Rom, ja?« Der Fremde lachte kurz auf. »Wenn Ihr jetzt hört, was ich zu sagen habe, dann werdet Ihr gewiss nicht nach Rom reisen.« Wieder hielt der ältere Mann inne, seine Augen suchten wachsam
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