Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
die Umgebung ab.
»Da ist doch jemand«, zischte er leise. »Ist Euch jemand gefolgt?«
»Wer sollte mir gefolgt sein?«, entrüstete sich Theophil, doch dann hörte auch er Geräusche, aber es war bereits zu spät! Ein dumpfer Schlag traf seinen Hinterkopf und er sackte in sich zusammen. Es blitzte vor seinen Augen, undeutliche Stimmen drangen an sein Ohr, Schmerz, unsäglicher Schmerz breitete sich in seinem Körper aus, woraufhin ihn Dunkelheit umfing.
Etwas schüttelte ihn, tätschelte seine Wangen. Theophil wusste nicht, wie lange er so dagelegen hat. Jetzt blickte er in das Gesicht eines Mannes um die fünfzig. Die Schläfen grau meliert, ein exakt geschnittener Kinnbart. Durchdringende Augen erwiderten seinen Blick.
»Gott sei Dank, Ihr lebt!«, sagte der Fremde, der seiner Kleidung nach wohlhabend sein musste.
»Was ist passiert, wo bin ich?«, stammelte der Pater.
»Ihr seid überfallen worden, man hat Euch niedergeschlagen«, antwortete der Mann. Theophil zuckte zusammen, versuchte sich ruckartig aufzurichten. Wieder breiteten sich heftige Schmerzen in seinem Körper aus.
Jetzt sah er drei Männer tot auf dem Platz liegen. In seiner Hand hielt er einen blutigen Dolch. Erschrocken warf er die Waffe weg.
»Alle Achtung, Pater. Ihr habt Euch tapfer gewehrt. Als Ihr den dritten Übeltäter niederstrecktet, kam ich hinzu. Zwei Burschen sind geflüchtet. Wisst Ihr, was die Kerle von Euch wollten?«
Theophil hörte den Fremden wie aus weiter Ferne sprechen. Einer der Männer war der Fremde, der sich mit ihm treffen wollte. Die beiden anderen hatte er noch nie zuvor gesehen.
»Keine Ahnung«, hauchte er mechanisch. Es folgte ein Röcheln. Der Mann, mit dem er sich getroffen hatte, regte sich. Theophil robbte zu ihm rüber, wusste jedoch nicht, wie er dem Schwerverletzten helfen sollte.
»Ich, …Luca, aahh. Ihr, Ihr müsst … Filerimos…«, brachte er noch heraus, dann starb er.
Plötzlich stand der kleine Junge vom Nachmittag auf dem Platz vor der Kirche. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete er die blutige Szenerie.
» Assassino, assassino – Mörder, Mörder«, schrie er laut und rannte aufgeregt davon.
»Wir sollten lieber gehen, Pater, bevor die Wachen kommen. Das sieht nicht gut für Euch aus.«
Entsetzt starrte Theophil den Fremden an. Doch ehe er antworten konnte hörte er laute Stimmen, die seinen Namen riefen. Araber kamen um die Straßenecke. Nuri, der Kapitän der ägyptischen Dau führte sie an, mitten unter ihnen der Commissarius. Kaum hatten die Männer sie erreicht, hörten sie eine Signalpfeife. Schritte hallten durch die Nacht.
Matthias sah die drei Leichen, Theophil, der über und über mit Blut besudelt war und den Fremden, der ihm zunickte. Matthias und der hilfsbereite Fremde packten den Pater unter und halfen ihm auf die Beine.
»Erklärt es mir später«, blaffte der Commissarius. »Wir müssen hier erst einmal weg!«
Die Araber nahmen sie in ihre Mitte. Erst jetzt nahm der Pater ihre Waffen wahr, die sie kampfbereit in den Händen hielten. Sie liefen durch unendlich lang erscheinende Straßen und Gassen. Immer im Schatten der Häuser, die mit ihren Fenstern wie drohende Nachtmahre auf sie herab blickten. An jeder Ecke wachsam und vorsichtig nach allen Seiten spähend stehen bleibend, um sodann weiter in Richtung Hafen zu flüchten.
Noch war von den Häschern nichts zu sehen, doch ihre Rufe und Schritte kamen bedrohlich näher.
Plötzlich krachten irgendwo Schüsse, sie blieben unvermittelt stehen, verharrten, jemand schrie vor Schmerzen. Raue Stimmen, Kommandos rufend, waren zu hören. Wieder krachte eine Salve Schüsse, lauter, näher als zuvor. Beißender Pulverdampf breitete sich aus einer Seitenstraße kommend aus. Aufgeregte Stimmen; ein Hund bellte und eine Katze rannte fauchend an ihnen vorbei.
»Weiter«, befahl Matthias leise. In geduckter Haltung schlichen sie jetzt vorwärts. Doch die Gasse endete abrupt auf einem kleinen Platz. Die Seeleute sahen sich wachsam um; einer lugte vorsichtig über eine halbhohe Mauer. Unten war der Kai zu sehen, doch der kleine Platz, auf dem sie standen, war ringsherum von hohen Hauswänden umgeben. Links von ihnen in einer Ecke nahm einer der Araber einen schwach zu erkennenden Durchgang wahr. Er gab den anderen Zeichen und sie eilten darauf zu, erreichten eine große Treppe, über die sie hinunter an den Pier gelangten.
Die Dau lag etwa fünfzig Schritte von ihnen entfernt und hatte bereits ein Segel gesetzt. Sie
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