Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
im Ton. Verlegen besah der Mann seinen schmuddeligen Wams und den Dreck auf seinen Stiefeln, während die anderen Wachen in lautes Gelächter ausbrachen.
Im Ghetto beäugten die Menschen den Wagen mit dem chur-cöllnischen Wappen voller Verwunderung und Misstrauen. Die Männer, ob jung oder alt, trugen lange Bärte und dunkle Kleidung. Die Kleider der Frauen waren schlicht und zweckmäßig, ohne jeglichen Schmuck. Aber eines hatten Männer und Frauen gemeinsam: Den Judenring auf ihrer Kleidung.
Gropper hielt kurz, um einen jungen Mann nach dem Haus von Aaron Trachmann zu fragen. Statt einer Antwort spuckte dieser verächtlich aus. Ein älterer Jude bemerkte dies und kam vorsichtig auf den Wagen zu.
»Verzeiht, Herr, gewiss hat mein Neffe es nicht so gemeint. In den letzten Tagen herrscht hier eine gewisse Unruhe, da man einen der Unseren vor den Toren gehenkt hat..«
»Dann sagt Eurem Neffen, dass ich nicht gekommen bin, um zu kontrollieren oder gar anzuklagen. Aber hätte er das gegenüber einem Frankfurter Beamten gewagt, hätte man ihn schon in Eisen davon geschleppt.«
Der alte Mann nahm seinen Hut ab und verneigte sich höflich. »Ergebensten Dank, mein Herr. Stets zu Euren Diensten, Herr!«
»Ich suche das Haus von Aaron Trachmann, dem Tuch- und Gewürzhändler. Wo ist es?«
» In der Mitte der Gasse, Herr, achtet auf ein Schild mit einem Drachen, das ist sein Haus.«
»Ein Drache?«, fragte Matthias verwundert.
»Ja, Trachmann kommt von Drache«, erklärte der alte Mann kurz.
Als Matthias’ Wagen dort vorfuhr, schauten sogleich vorwitzige Kindergesichter aus den Fenstern im ersten Stock. Schnell waren die Kindergesichter verschwunden, sodann trat ein großer, älterer Mann auf Matthias zu.
»Schalom, ehrenwerter Herr«, begrüßte er ihn höflich, doch kühl und spürbar misstrauisch.
»Seid Ihr Aaron Trachmann?«, fragte Matthias ohne den Gruß zu erwidern, da er ihn gar nicht verstanden hatte.
»Der bin ich. Darf ich fragen, wer Euer Hochwohlgeboren ist?«
»Verzeiht meine Unhöflichkeit. Mein Name ist Matthias Liebknecht. Ich bin chur-cöllnischer Commissarius und komme auf Empfehlung Eures Vetters Salman Schwarz aus Deutz.« Matthias überreichte Aaron Trachmann das Schreiben mit dem Siegel des Deutzer Kaufmanns. Dieser las den Brief sehr aufmerksam. Die düsteren Gesichtszüge des Mannes erhellten sich schließlich ein wenig.
»Was hat ein churfürstlicher Commissar mit meinen Vetter zu tun?«
»Ich verstehe«, bemerkte Matthias und erklärte Aaron Trachmann kurz, was sich vor wenigen Tagen in Cölln zugetragen hatte, dass er Salman Schwarz’ Sohn vor dem Kerker und schlimmer Strafe bewahren konnte.
»Dann seid willkommen in meinem Haus«, sagte er mit einer einladenden Handbewegung.
Kapitel 15
Rückblick – Cölln in den Jahren 1252, 1349, 1578
Im unteren Teil des Hauses waren die Geschäftsräume untergebracht. Zunächst betraten sie den Verkaufsraum, daran schlossen sich die Lagerräume an. Dort in den Regalen waren die verschiedensten Stoffballen gestapelt; vom groben Leinen, über Wolle bis hin zur feinsten Seide und prächtigen, schweren Brokatstoffen. Mit Gold und Silber besticktes schweres Seidenzeug, das gerne von reichen Bürgern und Adeligen zur Anfertigung prachtvoller Gewänder bevorzugt wurde, beschloss das Sortiment.
In einem anderen Lager befanden sich Gewürze aus aller Welt. Der Geruch von Pfeffer und Nelken vermischte sich mit dem Duft von Thymian und Rosmarin, Lavendel, Minze und Koriander, und vielen anderen Gewürzen, die dort sorgsam gelagert wurden.
Eine schmale Treppe führte ins erste Obergeschoss zu den Wohnräumen.
»Wir gehen in das Herrenzimmer«, wies Aaron Trachmann Matthias den Weg geradeaus. Zwei junge Männer verbeugten sich ehrfurchtsvoll, als die beiden das Herrenzimmer betraten.
»Das sind meine beiden Söhne Ahab und Ephraim. Nehmt bitte Platz!« Matthias sah sich unauffällig um, sah die Menora, den siebenarmigen Leuchter und viele Bücher mit hebräischer Schrift.
Aaron Trachmann hatte längeres, schütteres Haar und wie alle Männer im Ghetto einen langen Bart. Unter den buschigen Augebrauen lugten listige, blaue Augen vor, die von einer dünnen, grünen Linie umrahmt waren. Besonders auffällig war die breite, spitz zulaufende Nase.
Ahab Trachmann, der älteste Sohn, sah seinem Vater sehr ähnlich, genauso hochgewachsen, das gleiche schmale Gesicht mit der markanten Nase. Der jüngere, Ephraim, hingegen hatte nicht viel Ähnlichkeit
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