Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
1626 war ein freundlicher Tag, einer der wenigen schönen Tage des Jahres. Denn immer wieder kam es zu Kälteeinbrüchen, so manches Mal sogar mit Hagel- und Schneeschauern. Das Korn auf den Feldern verdarb, die Obstblüte erfror, die Menschen in deutschen Landen waren voll Sorge, dass schlechte Ernten wieder schlimme Hungersnöte bringen würden.
Auch Matthias ahnte nichts Gutes, denn er wusste nur allzu gut, dass die Menschen allerorten nach Schuldigen für diese extremen Unbilden der Natur suchten. Schnell würde man Wetterzauber dafür verantwortlich machen und Hexen und Zauberer dessen beschuldigen. Die churfürstlichen Hexenkommissare würden die Gunst der Stunde nutzen und sehr bald wieder auf Jagd gehen, dabei ihre Geldbeutel füllen und ihre bizarren Fantasien an den bedauernswerten Opfern auslassen.
Nur zwei Stunden hatte Matthias nach dem Studium der Papiere geschlafen; bis in die frühen Morgenstunden hatten ihn die Berichte über die schrecklichen Ereignisse in Béziers in ihren Bann gezogen.
Die Kutsche fuhr vor.
Konrad Gropper, der Kutscher, ein erfahrener Mann für lange und gefahrvolle Reisen, von kräftiger Statur mit einem kantigen Gesicht stieg vom Kutschbock. Gropper galt als stiller, verschwiegener und äußerst zuverlässiger Mann.
Gropper lud das Gepäck des Advocatus’ auf, wie er Matthias bei sich voller Respekt nannte. Matthias, zur Abreise bereit, genoss noch einmal den Blick auf Bonn, die umliegenden Hügel und Berge mit ihren zahlreichen Wein- und Obstgärten und bestieg dann die churfürstliche Karosse. Wann würde er das alles wiedersehen? Seine Familie, seinen Sohn und seine Freunde? Rom war weit, sehr weit, lange würde es dauern, bis er wieder zurück wäre.
Die beiden Kutschpferde liefen höchstens acht bis elf Landmeilen am Tag. So war Coblentz am Zusammenfluss von Rhein und Mosel die erste Station seiner Reise, Bingen die zweite; am dritten Tage sollte Frankfurt erreicht werden, immer eingedenk dessen, dass er nicht durch mancherlei, wie Überfälle oder Unwetter, aufgehalten werden konnte.
In Coblentz angekommen, nutzte Matthias die Gelegenheit, den Komtur des Deutschen Ritterordens der Ballei Coblentz, Adolf von dem Bongart, aufzusuchen.
»Ich freue mich, dass Euer Weg auf Eurer Reise in mein bescheidenes Haus führt«, begrüßte der Komtur Matthias höflich.
»Desgleichen, desgleichen«, entgegnete Matthias in diplomatischer Routine. »Ich schulde Euch großen Dank für Eure Hilfe beim Karneval zu Bonn. Daher war es mir ein Bedürfnis, in Coblentz Halt zu machen und Euch nochmals herzlich zu danken. Ich stehe tief in Eurer Schuld.«
»Herr Commissarius, mein Eingreifen am Hofe des Churfürsten diente doch nur der Wahrheitsfindung«, tat der Komtur bescheiden. »Zumal es meine gute Christenpflicht ist, die Kirche vor Schaden zu bewahren.«
»Was wollt Ihr mir damit sagen, Herr Komtur?«
»Liebknecht, der Deutsche Orden steht seit Jahrhunderten der Heiligen Mutter Kirche immer treu zur Seite. Der Ordo Teutonicus ist nie in Ungnade gefallen. Nie haben wir uns gegen die Kirche aufgelehnt. Im Gegenteil! Nur deswegen hat der Deutsche Ritterorden überlebt. Die Gebote unseres Herrn sind das höchste zu schützende Gut.« Adolf von dem Bongart machte eine Pause und musterte Matthias dabei. »Nicht immer ist es leicht, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, denn auch Lügen sind wirklich, sobald sie ausgesprochen sind. Aber darum sind sie noch lange nicht wahr, wenn Ihr versteht, was ich meine?!«
Der Advocatus hatte Adolf von dem Bongart aufmerksam zugehört und sehr wohl verstanden, dass ihm der Komtur der Deutschordensballei Coblentz indirekt etwas sagen wollte. Doch was? Wollte der Komtur Matthias warnen? Wovor?
»Allenthalben sind schwierige Zeiten, werter Herr Advocatus. Die Protestanten mit ihrer Reformation des Glaubens und der Krieg lassen viele Menschen zweifeln und treiben sie zu Mystikern und Häretikern aller Art. Man darf sich ihren Verblendungen nicht hingeben. Es ist die Zeit, in der wahrer Glaube gefragt ist, mehr denn je«, bekräftigte der Komtur nochmals seine Worte. » Hermes Trismegistos ist nichts weiter als ein böser Dämon, der uns des Nachts heimsucht und in unsere Träume eindringt, um uns zu täuschen.«
Matthias horchte erneut auf, als er Hermes Trismegistos hörte, ließ sich aber nichts anmerken.
»Von wem sprechet Ihr, Komtur?«, wollte Matthias nun wissen.
Adolf von dem Bongarts Mund umspielte ein Lächeln ob dieser
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