Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Mönchskutte auf. Bruder Rupert kannte den besonders geknüpften Knoten eines Franziskanerzingulums. Dieser hier war schlicht und einfach geschlungen. Der Franziskaner bemerkte Ruperts misstrauische Blicke nicht, die nun das Kreuz auf seiner Brust näher betrachteten. Rupert wunderte sich, dass dieser Franziskaner ein schlichtes, lateinisches Kreuz trug; wusste er doch auch, dass alle Franziskaner eigentlich ein T-förmiges Kreuz tragen.
»Wo finde ich Euren Abt, Bruder Rupert?«, wollte der Franziskaner nun wissen.
»Du bist kein Franziskaner, Nicolaus!«, platzte Rupert heraus.
Noch immer freundlich lächelnd, warf Nicolaus Rupert einen fragenden Blick zu. Dieser zeigte auf die Kordel.
»Die Knoten an deinem Gürtel, sie haben dich verraten! Nie würde ein Franziskaner solche Knoten wählen! Und auch dein Kreuz.«
»Was ist mit meinem Kreuz?«, fragte Nicolaus, weiter liebenswürdig lächelnd.
»Es ist ein Crux Immissa, ein lateinisches Kreuz. Ihr Franziskaner tragt aber eigentlich immer ein Taukreuz!«
»Nun, du solltest wissen, dass dies ein ganz besonderes Kreuz ist, Rupert. Es gehört zu einem Rosenkranz.« Nicolaus streifte jetzt die Kette mit dem Kreuz ab und ging einen Schritt auf Rupert zu.
»Komm her, sieh selbst und überzeuge dich. Ich trage es zu Ehren der heiligen Mutter Gottes.«
Arglos kam Rupert näher, nicht ahnend, was ihm gleich widerfahren würde.
»Ist da jemand?«, rief Maurus, um dann nur ärgerlich festzustellen, wie zittrig sich seine Stimme anhörte.
»Hallo, ist dort jemand?«, rief er nun energischer und fester. Da! Deutlich hörte er eine Tür zuschlagen. Leichte Schritte. Novize Romary stand auf einmal vor ihm in der Bibliothek.
»Ich soll Euch zur Vesper holen, Bruder Maurus«, sprach er freundlich.
»Zur Vesper? Aber es hat doch noch gar nicht geläutet.« Misstrauisch blickte Maurus den Novizenjungen an.
»Ihr wart offenbar so in Eure Arbeit vertieft, dass Ihr das Glöcklein nicht gehört habt.« Maurus warf einen Blick auf eine Standuhr, dann lächelte er versonnen.
»Du hast Recht. Offenbar habe ich die Glocke überhört.« Willig folgte Maurus dem Jungen in die Kirche, der ihm mehrfach ein verstohlenes dankbares Lächeln zuwarf. Nach der Messe versammelte sich die kleine Gemeinschaft im Refectorium zum Abendessen. Pater Lambert, der Prior, erhob sich, um das Tischgebet zu sprechen.
»Wo ist Rupert?«, stellte er plötzlich fest.
Die Mönche blickten sich fragend an.
»Er war schon in der Kirche nicht da«, stellte Amarin fest.
Der Prior blickte zu Matys, einem der Novizen.
»Matys, geh und laufe zum Tor, möglich, dass der Tollpatsch eingeschlafen ist.«
Nach einiger Zeit kehrte der Junge keuchend zurück.
»Ehrwürdiger Prior, Bruder Rupert ist nirgends zu finden. Das Tor ist verschlossen, im Torhaus ist niemand. Ich habe überall nach ihm gesucht und nach ihm gerufen. Aber er ist nirgends zu finden!«
Der Prior riss die Augen auf.
»Verdammter Feigling«, zischte er, versuchte aber weiter zu lächeln und sah seine Fratres ratlos an.
»Dann lasset uns beten. Bruder Rupert scheint uns wie viele der Anderen verlassen zu haben.«
Pater Lambert sprach jetzt das Tischgebet. Als Maurus seine Schüssel füllen wollte, nahm er den Blick des alten Jean wahr, der ihn mit seinen eisgrauen Augen anstarrte. Nur Fasten und Beten retten Euch vor dem sicheren Tod, waren Jeans Worte, die ihm augenblicklich wieder in den Sinn kamen. Maurus schob die Schüssel von sich und lehnte sich zurück.
»Verzeiht, ehrwürdiger Prior, wenn ich mich zurückziehe. Doch ich möchte mich gerne persönlich von Ruperts Flucht überzeugen und um seiner Seele willen den Abend mit Fasten und Beten verbringen.«
Der Prior warf Maurus einen tadelnden Blick zu, doch Maurus zog sich trotzdem zurück.
Draußen vor den kalten Gemäuern des Klosters empfing ihn ein warmer Wind. Die Abendsonne spendete noch genügend Wärme, so dass er nicht mehr fror. Voll innerer Unruhe machte er sich auf den Weg zum Torhaus. Immer stärker spürte er, dass hier etwas nicht stimmte. Rupert schätzte er zwar als einfachen Mönch ein, aber gewiss nicht als Feigling. Maurus beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen.
Der Prior zog sich nach der Vesper in seine Privaträume zurück und war völlig überrascht, als er dort im Wohnraum den Franziskaner sitzen sah.
»Wie kommst du hier rein und was willst du hier?«, raunzte er ihn an.
Nicolaus lächelte süffisant, ehe er antwortete.
»Gottes Wege sind
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