Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
unergründlich! Bruder Lambert. Du weißt genau, was ich will! Die Dokumente, bevor dieser gottverdammte Jesuit sie an sich nimmt.«
»Diese Dokumente werden die Mauern dieses Klosters niemals verlassen, das müsste selbst dir klar sein, Bruder«, entgegnete der Prior grimmig.
»Sie sind nicht mehr sicher. Dieser jesuitische Schnüffler besitzt mehr Verstand als Ihr alle zusammen hier. Darum muss ich die Unterlagen im Namen der heiligen Mutter Gottes in Sicherheit bringen.«
»Sie sind hier in Sicherheit.«
»Du bist der Bruderschaft verpflichtet, Bruder Lambert.«
»Ich bin Gott allein verpflichtet, Bruder. Was hast du mit Rupert gemacht?«
»Der schmort in der Hölle!«
»Warum?«
»Zu viele Fragen gestellt. Aber jetzt sage mir, wo ich die Unterlagen finde!«
»Ich weiß es nicht.«
»Hast du die fünfzehn Verheißungen der Rosenkranzkönigin vergessen, die uns der selige Alanus de Rupe mit auf den Weg gegeben hat?«
»Nein, warum sollte ich?«
»Gut.« Jetzt erhob sich der Franziskaner und kam auf Pater Lambert zu, in der Hand einen Rosenkranz haltend.
»Dann kennst du sicher auch die dritte Regel. Der Rosenkranz ist ein mächtiger Schild gegen den bösen Feind. Er vernichtet das Laster, verhindert die Sünde und rottet die Irrlehre aus. Und genau das hat hier zu geschehen, Lambert.«
Des Priors Augen zuckten verdächtig, blickten nervös hin und her. »Was meinst Du?«
»Das weißt du genau, Lambert. Hier ist ein Ort des Lasters, ein Sündenpfuhl, der nur dank der Gnade der Bruderschaft noch immer besteht. Du willst doch weiterleben oder?«
Lamberts innere Unruhe wuchs.
»Frage Jean! Frater Jean, den Bibliothekar. Er hat dem Jesuiten die Unterlagen übergeben, damit er sie studieren kann.«
» Merde! Niemals hätte das geschehen dürfen«, zürnte der Franziskaner. Und ehe sich Lambert versah, schlang ihm Nicolaus den Rosenkranz um den Hals und zog zu.
»Die Seele, die vertrauensvoll durch meinen Rosenkranz die Zuflucht zu mir nimmt, geht nicht verloren«, sprach er die fünfte Verheißung der Rosenkranzkönigin zitierend und zog den Rosenkranz immer fester zu. Lambert quollen die Augen vor, er erstickte, sein Gesicht färbte sich bläulich. Schließlich erschlafften seine Glieder und er fiel leblos zu Boden.
»Du hast es nicht besser verdient«, flüsterte Nicolaus, machte ein Kreuzzeichen und verließ den Raum.
Inzwischen hatte Maurus die Porterie erreicht, die etwa 140 Schritte westlich von der Abteikirche entfernt, auf dem linken Ufer des Flüsschens Thyle gelegen war.
Vor dem vorderen Torhaus blieb er stehen. Kein Laut war zu hören, nur das leise Rascheln des warmen Sommerwindes, der ein paar welke Blätter vor sich hertrieb und sein eigener, unruhiger Herzschlag.
Maurus schaute entlang des Durchgangs, der das Erdgeschoss des Gebäudes durchbrach und fixierte scharf das nicht weit entfernte vordere Torhaus. Zwei mannshohe Mauern bildeten einen nicht einsehbaren Gang dorthin, den er mit klopfendem Herzen durchschritt. Je näher er der Porterie an der Außenmauer des Konvents kam, desto unheimlicher wurde ihm die ihn umgebende Stille.
An der Eingangstür verharrte er einen Moment. Sollte er das Torhaus da hineingehen? Vielleicht lauerten dort unwägbare Gefahren auf ihn? Doch Ruperts Verschwinden ließ ihm keine Ruhe, er wollte wissen, was hier geschehen war. Schließlich war er gleich seinem Freund, dem churcöllnischen Commissar Matthias Liebknecht, in geheimer Mission unterwegs. Liebknecht hätte bestimmt keine Furcht und würde der Sache ohne zu zögern auf den Grund gehen.
Entschlossen drückte er endlich die Tür zum Torhaus auf. Seine Augen brauchten einige Zeit, um sich an das schummrige Licht im Inneren zu gewöhnen. Vorsichtig sah sich Maurus um. Kammer für Kammer durchschritt er, doch nichts Verdächtiges war zu finden. Keine Spur von Rupert! Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, er verließ das Torwächterhaus und sah sich draußen um. Torwächter Rupert war wie vom Erdboden verschluckt. Maurus blickte sich um und entdeckte, dass das Tor nach draußen zusätzlich zur üblichen Verriegelung mit einer dicken Eisenkette gesichert war.
Seltsam, dachte er. Wenn Rupert geflohen ist, wie der Prior vermutete, wie konnte er dann von innen das Tor verriegeln und noch zusätzlich mit einer Kette sichern? Hier stimmt etwas nicht, ging es ihm wieder durch den Kopf.
Er ging zurück und durchsuchte noch das kleine, hintere Torhaus. Doch auch hier fand er nichts und dann dämmerte es
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