Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Engelbert, der als Erzbischof, als Geistlicher der Fleischeslust per Schwur eigentlich entsagt hatte. Friedrich wollte ihn zur Rede stellen, denn schließlich stand der Adelstag in Soest an. Er versprach mir, rechtens zu handeln. Was dann geschah, war grauenhaft. Engelbert wurde auf der Rückreise in einem Hohlweg bei Gevelsberg brutal ermordet. Schnell hatte man seinen Mörder ausgemacht, nämlich meinen geliebten Friedrich. Doch er schwor mir beim Leben unserer Kinder, unschuldig zu sein und dafür Sorge zu tragen, dass die wirklich Schuldigen bestraft würden. Dafür hätte er nun alles in den Händen, so auch das Ding, mit dem er zu Kaiser und Papst reisen wollte, um dort um Hilfe zu bitten und seine Unschuld beweisen zu können. Das Ding, deswegen ich mich prostituierte! Nun wollte ich endlich das Geheimnis wissen und schaute es mir heimlich an. Erst erfüllte es mich mit Entsetzen und Abscheu, ich fürchtete mich gar vor meinem eigenen Manne. So stellte ich ihn zur Rede und fragte, ob er auch noch wegen Blasphemie und Häresie angeklagt werden wolle. Doch er schüttelte nur den Kopf und lächelte, beruhigte mich und versicherte mir, dass dieses Ding schon viel Gutes bewirkt habe und den wahren Glauben verkörpere. Um mich zu beruhigen, übergab er mir eine Seite jener Schrift, denn das Ding war ein Buch. Er sagte sogar, dass diese Seite des Buches sein Leben schützen würde. Bei mir wüsste er es in den besten Händen und es würde mir und den Kindern Sicherheit und Schutz gewähren.
Doch vergebens! Schließlich wurde er verraten und wie ein gemeiner Mörder auf das Rad geflochten und hingerichtet.
Ich gebar jedoch zuvor am 31. März im Jahre 1226 nach der Fleischwerdung des Herrn ein gesundes Mädchen und gab ihm den Namen der Sünderin, Maria Magdalena, weil sie ein Kind der Sünde war, der ungezügelten Fleischeslust.
Als ich Friedrich das Kind zeigte, verlangte er, dass ihr Name niemals erwähnt werden solle. Und so tauchte der Name dieses unschuldigen Kindes auch tatsächlich nirgendwo auf. Sie wurde aus einer Sünde heraus geboren. Doch ich wünsche und flehe zu unserem Herrn voller Inbrunst, dass sie nie für die Fleischeslust dieses unheiligen Mannes bezahlen muss.
Wenn das stimmte, was hier geschrieben stand, dann war das Vermächtnis, das man Churfürst Ferdinand übergeben hatte, eine Fälschung. Dennoch würde Ferdinand Engelbert von Cölln niemals heilig sprechen lassen können. Aber was war das für eine Schrift, die den Johannisrittern von Cölln so viel Macht verlieh? Mit zittrigen Händen drehte er das Blatt um, um die nächste Seite zu lesen, als er plötzlich ein Geräusch hörte und eiligst die vor ihm liegenden Unterlagen zuschlug.
Misstrauisch beäugte Rupert, der Torwächter der Abtei Villers, den Franziskaner, der mit tief ins Gesicht gezogener Kappe vor dem Tor stand und Einlass begehrte.
»Was führt dich hierher, Bruder in Christo?«
»Das Verlangen nach einer warmen Mahlzeit und einer Schlafstatt. Bitte habt Mitleid mit einem armen Wanderprediger und gewährt mir Einlass«, antwortete der Franziskaner, ohne den Kopf zu heben. Seine Antwort konnte jedoch Ruperts Argwohn nicht zerstreuen. Die Erinnerung an die falschen Dominikaner, die vor einigen Tagen vorgesprochen hatten und jetzt in der Hölle schmorten, war noch zu frisch. Der Torwächter schielte an dem Franziskaner vorbei und versuchte, im Gebüsch auf der anderen Straßenseite weitere Personen auszumachen. Aufmerksam ging er jeden Zweig, jeden Ast, jedes Blatt einzeln durch. Doch der Franziskaner schien tatsächlich allein zu sein.
»Wie ist dein Name, Bruder?«
»Vom Ordo fratrum minorum, vom Orden der minderen Brüder. Ich höre auf den Namen Nicolaus.«
»Woher kommst du und wohin führt dich dein Weg, Frater Nicolaus?«
»Ich komme von weit her, aus Charleroi und will weiter nach Gent.«
»Was willst du in Gent?«
»Die Menschen lehren, dass sie zu ihrem wahren Glauben zurückfinden und ein gottgefälliges Leben in tiefer Demut und im Glauben an unseren Herren führen.«
Bruder Rupert überlegte einen Augenblick. Der Mann auf der anderen Seite des Tores trug den Habit eines Franziskaners, die braune Kutte, bettelte um eine warme Mahlzeit und ein Nachtlager. Er wollte weiter nach Gent, um dort zu lehren. Nichts Falsches war an diesem Mönch.
»Tretet ein, Bruder Nicolaus.«
Als der Franziskaner das Eingangstor durchschritt, klopfte er sich den Staub von seiner Kutte. Dabei fiel Rupert die Kordel der
Weitere Kostenlose Bücher