Das Geheimnis der Salzschwestern
hatte. Dabei wurde Claire nie laut, vermutlich deshalb, weil sie das gar nicht nötig hatte. Ihr Schweigen war sehr viel furchteinflößender.
»Ich werde nichts verraten«, versprach Dee, und dann lehnte Whit sich zu ihr herüber und vergrub die Nase an ihrem Hals.
»Zur Abwechslung ist es doch wirklich schön, dass eine Frau mal so riecht, wie ich es will«, murmelte er.
Dee legte ihm die Hand an die Wange. Wie gut es doch tat, als Frau bezeichnet zu werden. Offensichtlich sah Whit in ihr nicht das moppelige Kind, welches sie bei jedem Blick in den Spiegel entdeckte, French Knickers hin oder her. Ihr fiel wieder ein, was Mr Weatherly ihr einmal erzählt hatte, dass Claire bei der Hochzeit mit Whit nämlich nicht viel älter gewesen war als sie jetzt. Ob sich ihre Verwandlung vom unsicheren Teenager zu einem Paar hochgezogenen Brauen und einem Blick, der einen Lkw in voller Fahrt zum Stehen bringen konnte, wohl in dem Moment vollzogen hatte? Mehr denn je fragte sich Dee, ob Claire und sie wohl irgendetwas verband. Das Einzige, was sie miteinander zu verbinden schien, war das völlige Fehlen einer solchen Gemeinsamkeit. Vermutlich mochte Whit sie nicht deshalb, dachte Dee, weil sie ihn an Claire erinnerte, sondern weil sie das völlige Gegenteil von ihr darstellte. Sie träufelte sich noch ein paar Tropfen Parfüm aufs Handgelenk und roch daran, bevor sie wieder zu Whit aufsah. »Und wonach riecht Claire?«, fragte sie.
Er dachte einen Moment darüber nach. »Nach Sattelseife und normaler Seife«, antwortete er schließlich. »Manchmal auch nach Heu. Und bevor sie ins Bett geht, benutzt sie immer Babypuder.«
Kein Wunder, dass er hier in den Büschen am Straßenrand geparkt hat und mit einer wie mir rummacht , dachte Dee. Sie war noch nicht einmal zwanzig, hatte aber trotzdem schon genug Erfahrung mit Männern, um zu wissen, dass sie unbeständig waren wie ein Schwarm Krähen. Wenn man nicht etwas Glänzendes baumeln ließ, um sie zu locken, flogen sie einfach vorbei.
»Genug geredet«, fand Whit, zog sie zu sich heran und knöpfte ihr die Bluse auf. »Wir müssen uns beeilen, und du darfst auch nicht so spät nach Hause kommen, sonst macht sich dein Vater noch Sorgen. Was hast du ihm überhaupt erzählt?«
»Dass ich einen netten Jungen kennengelernt habe«, log Dee. Tatsächlich hatte sie Cutt gar nichts erzählt. Dessen Neugier endete am Rand seiner abendlichen Flasche. Wenn er erst einmal blau war, konnte ihn nichts wieder aufwecken, nicht einmal ein ungeschickt im Dunkeln herumtastendes junges Mädchen, das vor Liebe noch ganz trunken war. Whit berührte Dees Brustwarzen mit den Daumen, und ein elektrischer Schlag durchfuhr sie vom Busen bis in die Lenden. Sie presste ihre Hüfte gegen seine.
»Ein netter Junge«, murmelte er und lachte vor sich hin, während er ihren BH herunterzog und ihn durch seinen Mund ersetzte. »Du hast ja keine Ahnung. Das war ich nämlich nie.«
»Das glaube ich dir nicht«, flüsterte Dee, und dann sprachen sie nicht mehr.
Mr Weatherly hatte eine merkwürdige Art, Fragen zu beantworten, dachte Dee. Sie hatte sich bei ihm nach dem anstehenden Dezemberfeuer erkundigt und war zunächst durch seine ausschweifende Antwort verwirrt, aber als sie endlich richtig zuhörte, wurde ihr klar, dass er ihr gerade zwei Dinge auf einmal sagte. Sie war inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass er ein ganz schönes Schlitzohr war. Er wirkte nie belehrend oder verriet seine persönliche Meinung, aber wenn er nach ihrem Gespräch an seinem Hosenbund zog und davonschlurfte, hatte sie oft das Gefühl, dass er ihr eine Moralpredigt gehalten hatte, auch wenn sie nicht genau sagen konnte, worüber eigentlich.
Jetzt näherte sich der November seinem Ende, und auf Tappert’s Green wurde ein Scheiterhaufen wesentlich gewissenhafter aufgebaut, als sie sich das vorgestellt hatte – die unteren Lagen wurden schräg ineinander verkeilt, und danach wurden größere Holzstücke von außen dagegengelehnt. Die Stadtältesten hatten offenbar ein neues Design entwickelt, quadratisch statt rund. Die unerwartet ordentliche Struktur löste in Dee eine gewisse Unruhe aus. Jetzt fand sie das Ganze irgendwie noch unheimlicher. Feuer kam nicht immer ungebeten. Über diese simple Tatsache hatte sie vorher noch nie nachgedacht.
»Tja, es wird jedes Jahr ein bisschen größer«, murmelte Mr Weatherly über seinem Teller mit Truthahn und Püree und starrte Dee düster an. »Und jedes Jahr brennt es auch ein bisschen
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