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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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konnte. Sie konnte es verwandeln. Während das Salz unter Jos Händen zu seiner perfekten Form fand, schlug es unter Claires Händen Purzelbäume. Sie fügte es Kuchen, Tees oder Marmeladen hinzu und kreierte eine völlige neue Geschmacksrichtung, die zwischen sauer und süß lag.
    Für das Salz war der Juni auf der Salt Creek Farm der wichtigste Monat, aber es war auch eine Zeit der Geister. Zunächst einmal war Whit in letzter Zeit ziemlich ruhig gewesen – unheimlich ruhig. Claire war davon überzeugt, dass er auf der Lauer lag und etwas Furchtbares plante, wusste aber nichts Genaues. Jo war es gelungen, die Bank erst einmal abzuwimmeln, aber trotzdem war Claires Nacken immer angespannt, und die winzigen Härchen auf ihrem Arm standen ständig zu Berge.
    Außerdem spürte sie ganz schwach die Anwesenheit ihres Bruders, an den sie sich nicht erinnern konnte, wie ein Sprühregen, der in so feinen Tropfen fällt, dass man gar nicht sicher sein kann, ob er wirklich da ist. Und dann waren da noch ihre ungeborenen Kinder. Die zeigten sich hartnäckiger und schnappten den ganzen Tag mit ihren winzigen, formlosen Lippen nach ihr wie viele hungrige Kaulquappen. Eigentlich war es nur lästig, wenn sie nicht nachts gelegentlich keuchend aufwachen würde. Dann zuckten die Nerven in ihrem Bauch, und es erdrückte sie so unendlicher Kummer, als würden all die verlorenen Kinder dieser Welt ihre Schlafstatt heimsuchen. Der Geist ihrer Mutter war eher eine ständige Erinnerung als ein Phantom, die tiefe Stimme in Claires Kopf, die ihr zuflüsterte, sie solle doch gerade stehen, sich die Haare zusammenbinden und Whit zum Teufel jagen. Und dann suchte sie auch noch Ethan heim. Claire wusste ganz genau, dass es auch in seinem Leben einen Geist gab, aber anders als ihre war jener einzigartig und heilig. Der Glückliche.
    Abgesehen von ihrem Besuch in St. Agnes mit Dee an Ostern war Claire Ethan völlig aus dem Weg gegangen. Ihn zu sehen war einfach zu schmerzlich für sie. Wenn sie sich in der Stadt über den Weg liefen, nickten sie einander zu, sprachen übers Wetter und wechselten dann die Straßenseite. Wenn sie ihn bei ihrem morgendlichen Ausritt mit Icicle am Strand entdeckte, wurde sie nicht langsamer, sondern donnerte als Wolke aus Hufen und Sand an ihm vorbei. Aber obgleich sie Ethan äußerlich ignorierte, war er in ihrer Seele so unerschütterlich zugegen, dass sie manchmal statt des ihren sein Gesicht im Spiegel sah.
    Jedes Mal, wenn sie an St. Agnes vorbeikam, musste sie sich beherrschen, um nicht an den Straßenrand zu fahren, die Türen des Gotteshauses aufzustoßen und Ethan ihre Gefühle zu gestehen. Aber Jo erinnerte sie daran, dass es besser war, Whit so wenig wie möglich zu reizen, und damit hatte sie recht. Wenn Whit mitbekam, wie viel sie noch für Ethan empfand, würde er womöglich St. Agnes in Schutt und Asche legen und den Priester gleich mit verbrennen. Sie konnte er ruhig bedrohen, so viel er wollte, aber Ethan durfte er auf keinen Fall etwas antun.
    Icicle wieherte leise, und Claire beruhigte ihn, leerte dann seinen Wasserkübel, füllte ihn wieder auf und ließ das Tier etwas von dem kühlen Nass saufen, bevor sie ihm eine Decke überwarf, den Sattel festschnallte und ihm die Kandare anlegte. »Na, komm«, flüsterte sie und führte ihn hinaus. Sie sah sich nach irgendwelchen Anzeichen für Whits Anwesenheit um, aber um diese Zeit war sie hier draußen in der Marsch ganz allein. Sie schob einen Fuß in den Steigbügel, schwang sich in den Sattel und atmete endlich so tief durch, wie sie es sich die ganze Nacht gewünscht hatte.
    Sie ritt zwischen den Dünen entlang, führte Icicle auf den harten Sand des Strandes und ließ dann die Zügel locker. Sie lehnte sich vor, während er immer schneller wurde, und empfand die gleichmäßigen Bewegungen seines Galopps als großen Trost. Was würden die Frauen aus dem Country Club wohl sagen, wenn sie sie jetzt so sehen könnten, fragte sie sich. Das Haar fiel ihr ungekämmt über die Schultern, sie hatte Löcher in der Bluse und trug kein Make-up. Würden sie sich abwenden und sie ignorieren oder schlimmer noch darüber spotten, dass sie jetzt wieder die alten Fetzen trug?
    Sie zügelte Icicle, bis er in Trab fiel, und atmete aus. Jetzt hatte sie das Ende des Strandes bei Drake’s Rocks fast erreicht und musste zugeben, dass die Ebbe nicht das Einzige war, was an ihrer Seele zerrte. Vor ihr lagen St. Agnes und Ethan. Sie starrte auf den Strand, und er war wie

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