Das Geheimnis der Salzschwestern
Brei herumgeredet. Wenn Dee ihre Aufgaben bei der Salzernte nicht vernünftig erledigte, dann sagte Jo ihr das einfach und erklärte auch direkt, wie sie es besser machen konnte. »Ich meine ja nur, dass es wirklich heiß ist, das ist alles.« Dee war erleichtert, als Claire das Ei zerschlug und den Dotter vom Eiweiß trennte. Dieses kleine hinterhältige Lächeln, dem Dee so gar nicht über den Weg traute, umspielte schon wieder Claires Unterlippe.
»Ist dir eigentlich klar, was du da gerade gesagt hast? Du benutzt das Salz, um das Wetter zu beschreiben. Du wirst noch zu einer echten Gilly.« Sie warf den letzten Dotter weg und stellte das Handrührgerät an, schlug das Eiweiß erst schaumig und dann zu einer steifen, Spitzen ziehenden Masse und gab Zitronenschale, Weinstein und Zucker hinzu, bis sich die Substanz in der Schüssel in etwas völlig Neues verwandelte. So fühlte sich auch Dee ein wenig, als würde aus ihr langsam ein neuer Mensch. Aber wurde sie tatsächlich zu einer Gilly? Sie war sich nicht sicher. Eins stand fest: Sie war definitiv nicht mehr die Alte. Mit dem Baby und ihrem Asyl hier draußen verwandelte sie sich tatsächlich in etwas, das sie noch gar nicht kannte. Anders als beim Baiser war sie sich aber nicht so sicher, ob dieses Neue auch süßer war.
Die Sommertage machten Dee gereizt und nervös, die Nächte waren aber ein wenig angenehmer. Sie wusste, dass sie nicht als Einzige im Haus wach war (unter Jos Tür bemerkte sie manchmal einen Lichtstreifen), aber sie war die Einzige von den dreien, die etwas dagegen unternahm. Sie wandelte umher.
Das hatte sie sich in Vermont angewöhnt, als sie nach dem Tod ihrer Mutter versuchte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie nun mit ihrem Vater allein war. Jetzt vermisste sie ihn mit jedem Tag weniger. Von Zeit zu Zeit musste sie an ihn denken, wenn sie sich zum Beispiel ein Ei briet, und dann fragte sie sich, wie es wohl ohne sie im Restaurant lief, aber das waren eher die Überlegungen einer verbitterten ehemaligen Angestellten als die einer verstoßenen Tochter. Jetzt, wo sich ihre Schwangerschaft dem Ende zuneigte, war sie sogar versucht, eines Morgens auf den Tresen des Leuchtturmrestaurants zuzuwanken und jedes einzelne Frühstücksgericht auf der Karte zu bestellen, von allem einmal abzubeißen und es dann wieder zurückzuschicken. Das wäre nämlich etwas, das Cutt rasend machen würde. Er hasste jede Art von Verschwendung, in seinem Leben gab es keinen Platz für Exzesse, und Dee vermutet, dass wohl auch sie unter diese Kategorie fiel.
Ihr wurde klar, dass sich Cutts Soldatenherz nie an das Getrippel ihrer kleinen Füßchen gewöhnt hatte, die sein Leben in Unordnung brachten. Er hatte ihr über den Tresen hinweg Teller gereicht, die sie dann leer zurückgebracht hatte, und darauf hatte sich ihre Beziehung weitestgehend reduziert. Als sie angefangen hatte, sich mit Whit zu treffen, hatte Cutt sie schon lange nicht mehr gefragt, was sie denn in ihrer Freizeit so trieb, und Dee hatte gelernt, dass Gurgelwasser und eine Dusche zwar die Spuren gewisser Sünden verwischten, das Beste aber immer noch war, einfach den Mund zu halten.
Bei ihrem Vater hatte sie mehr oder weniger einfach ihr eigenes Ding durchgezogen, auf der Salt Creek Farm war das jedoch nicht so einfach. Selbst wenn Claire und Jo sich nicht im selben Zimmer befanden wie sie, hinterließen sie doch überall ihre Spuren: Claire stellte ihre schmutzigen Kaffeetassen immer einfach so in die Spüle, und Jo vergaß jedes Mal, den Duschvorhang wieder zuzuziehen und über das Waschbecken zu wischen, wenn sie im Bad fertig war. Auf der untersten Treppenstufe lagen immer irgendwelche Strümpfe herum, passend zu den schlammigen Stiefeln im Flur, und Claire tropfte dauernd mit ihren benutzten Teebeuteln die Arbeitsplatte voll. Dee war an ein blitzblankes, spartanisches Zuhause gewöhnt. Für sie war es, als müsste sie sich rund um die Uhr das Geplapper von jemandem anhören.
Und dann gab es da noch all den Schrott. Wohin ihr Blick auch fiel, in jedem Schrank, auf jedem Regal flogen Bücher, Karten, Maschinenteile, kaputte Spielzeuge und lauter anderes, zum Teil nicht identifizierbares Gerümpel herum. Wenn das Kind erst da war, dachte sie, dann musste sie vorsichtig sein, damit sie es in diesem Sumpf aus Krimskrams nicht aus den Augen verlor.
Wenigstens zur Schlafenszeit war das Haus mal ruhig. Am Anfang beschränkte sie ihre nächtlichen Spaziergänge nur auf das obere Stockwerk,
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