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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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Hände in die Hüften. »Du sollst kellnern, nicht rumtrödeln.« Dee stellte die Teller, die er ihr reichte, auf das Tablett und stützte es auf ihre Schulter. Er hatte ja recht. Harte Arbeit war immer tröstlich, weil sie nichts anderes neben sich duldete.
    Als Dee fünf Tassen und Teller voller Kuchen zu Claires Nische balancierte, musste sie feststellen, dass die Frauen inzwischen auf dem ganzen Tisch Klemmbretter und Ordner verteilt hatten, so dass kein Platz für die Teller blieb. Sie stand unentschlossen da und wusste nicht, wie sie die Damen am besten unterbrechen sollte.
    »Was meint ihr, die erste Augustwoche oder doch die zweite?«, fragte die mollige Frau und legte konzentriert die Stirn in Falten, als würde sie hier ein komplexes wissenschaftliches Problem lösen, aber niemand antwortete. Claire hatte das Kinn auf die Hände aufgestützt und sah zum Fenster hinaus. Als sie schließlich doch etwas erwiderte, wirkte sie auf Dee so gelangweilt, als ob sie kaum klar denken könnte.
    »Die erste«, verfügte sie, änderte ihre Meinung aber augenblicklich wieder. »Nein, wartet. Die zweite.« Und die Damen mussten alle wieder ausradieren, was sie eben in ihren Terminkalender aufgenommen hatten. Als sie damit fertig waren, lagen auf dem Tisch und dem Fußboden überall kleine rosafarbene Radiergummifitzelchen. Nur Claire hatte nichts aufgeschrieben. Vor ihr lag nicht ein einziges Blatt Papier. Sie sah auf und ließ sich nun endlich dazu herab, Dee zu bemerken.
    »Oh, da bist du ja wieder.« Sie winkte mit der Hand. »Stell das einfach irgendwo ab.« Dee war völlig klar, dass Claire den Kuchen, für den ihr Vater bereits im Morgengrauen in der Küche gestanden hatte, nicht einmal probieren würde. Sie hatte ihn nur als Test bestellt. Was würden die anderen tun? Wer war schwach genug, auch nur einen Krümel davon anzurühren, und wer würde seine Lippen vor dieser Versuchung verschließen? Dee ließ den Blick über die Runde am Tisch wandern. Sie ahnte schon, wer diese Prüfung bestehen und wer kläglich versagen würde, und traf mit ihrer Vermutung ins Schwarze. Die mollige Dame seufzte nämlich und griff augenblicklich nach einem Stück. Claire kniff die Augen zusammen. »Agnes, mein Gott, nimm doch wenigstens eine Gabel.«
    Die Frau lief so rot an wie ihr Lippenstift und faltete mit hängendem Kopf die Hände im Schoß. »Oh, eigentlich habe ich doch keinen Hunger«, murmelte sie. »Jemand anders kann mein Stück haben.« Nach dieser kleinen Demonstration wollte aber natürlich keine der Damen dieses Angebot annehmen. Vierzig Minuten später erhoben sich die Frauen alle gleichzeitig und ließen Claire auf dem Weg nach draußen den Vortritt, so dass sie mit ihrem scharlachroten Mantel voranmarschierte, als würde sie eine Parade anführen. Auf dem Tisch blieben fünf unberührte Stück Kuchen und ein wesentlich kleineres Trinkgeld zurück, als Dee von der Claire Gilly Turner eigentlich erwartet hatte. Sie räumte die Teller und leeren Tassen ab und blickte Claire hinterher, die beim Überqueren der Straße mit den Hüften wackelte wie mit einem Taktstock, während ihre Schultern sich so gut wie nicht bewegten.
    »Was meinst du, warum bleibt eine Frau wie Claire Turner wohl in so einem Kaff?«, sinnierte Dee laut, als sie das Tablett zur Theke hinüberbrachte.
    Cutt schnaubte. »Mit solchen Leuten hast du nichts zu schaffen. Freu dich, wenn sie die Kasse zum Klingeln bringen, und belass es dabei. Wie sieht’s mit Trinkgeld aus? Zeig mal her!«
    Dee saugte an ihren Zähnen, reichte ihm dann aber die paar Münzen aus ihrer Tasche. Das ist ein freies Land, dachte sie, ich kann mir Gedanken machen, über wen ich will.
    Ihr Vater starrte sie düster an. »Kümmer dich lieber um deinen eigenen Kram.« Er reichte ihr einen mit Ammoniak getränkten Lappen. »Und jetzt wisch den Tisch ab.«
    Sie zuckte mit den Achseln und nahm sich von den Tellern ein Stück Kuchen, was Cutt zu der Bemerkung veranlasste, das würde aber alles auf die Hüften gehen. »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not«, erwiderte sie. Leider hatte sie noch nie gewusst, was wirklich gut für sie war.
    Nach diesem ersten Besuch frühstückte Claire beinahe jeden Tag bei ihnen im Imbiss. Wenn sie ausgeritten war, kam sie kurz nach Sonnenaufgang und band ihren Schimmel draußen an, so als befände sich Prospect im Wilden Westen. Wenn sie durch die Tür trat, klopfte sie sich den Schmutz von den Reithosen und hohen Lederstiefeln. Wenn sie nicht

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