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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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der Kinokasse gezwickt, man pfiff ihr auf Parkplätzen hinterher und begrapschte sie auf Highschool-Partys. Mit fünfzehn hatte Dee neben ihrem Vater in der Kirche sitzen und ganz genau sagen können, wer von den anwesenden Männern ihr bei passender Gelegenheit am liebsten die Hand unter die Bluse geschoben hätte. Nach dem Tod ihrer Mutter war sie schließlich zu einem dieser Mädchen geworden, die die Kerle auch ranließen.
    Whit Turner gehörte jetzt nicht unbedingt in ihr übliches Beuteschema. Zum einen saß er sonntags immer so wohlgefällig und stolz in seiner Kirchenbank. Zum anderen war er zu gut gekleidet und lebte auch noch in diesem großen Haus auf dem einzigen Hügel der Stadt. Und er war mit Claire verheiratet. Das allein war in Dees Augen schon ein guter Grund für ihn, die Hosen lieber anzubehalten, denn Claire wirkte auf sie wie jemand, mit dem man sich besser nicht anlegte.
    Dee ließ Whit mit seinem Essen allein. Jetzt, um neun Uhr, war der Frühstücksrummel längst vorbei, und im Restaurant herrschte gähnende Leere. Die Leute hier in der Stadt aßen offensichtlich gern zu festen Zeiten, also war der Laden morgens um sieben, gegen Mittag und dann wieder abends so gegen sechs proppenvoll, während es den Rest des Tages relativ ruhig war. Dee fragte sich, ob Whit diese Uhrzeit wohl aus einem besonderen Grund gewählt hatte, und wenn ja, aus welchem. Vielleicht ein Streit mit Claire? Seine Frau hatte bereits im Morgengrauen allein gefrühstückt, wie immer. Dee rief sich die Szene wieder vor Augen, ihr war aber nichts Besonderes aufgefallen. Andererseits wusste man bei Claire ja selten, woran man war.
    Als Dee mit der Rechnung zurück zum Tisch kam, wischte sich Whit langsam über den Mund. Mit einem kurzen Blick zum Tresen vergewisserte er sich, dass ihr Vater sie nicht sehen konnte. Dann streckte er die Hand aus, schlang Daumen und Zeigefinger um ihr Handgelenk und rieb es dort, wo ihr Herzschlag unter der Haut pulsierte. Ihr wurde plötzlich ganz heiß, ihr Puls jagte in die Höhe, und in diesem Moment wusste sie bereits, dass sie verloren war.
    »Das sollten wir wieder mal machen«, bemerkte Whit und schob ihr einen Schein – einen Fünfer – in die Schürzentasche. Er war sehr viel großzügiger beim Trinkgeld als Claire.
    Natürlich hätte sie das Geld zurückgeben müssen, das war ihr noch im selben Moment klar. Sie hätte die Hand aus der köstlichen Berührung lösen und gleich einem schüchternen Kind die Augen beschämt oder peinlich berührt niederschlagen sollen. Aber ihre Haut brannte unter Whits Fingern, und Dee ging im Kopf bereits durch, wie viel Lippenstift und Lidschatten sie für fünf Dollar kaufen konnte. Nicht dass ihr Vater ihr erlaubt hätte, sich zu schminken. Sie musste das Zeug immer auftragen, nachdem sie das Haus verlassen hatte. Sie leckte sich die Unterlippe und biss kurz darauf, um sie röter aussehen zu lassen. Dann lehnte sie sich zu Whit vor, kam so nah heran, dass ihr das Leder- und Kiefernaroma seines Aftershaves in die Nase stieg, und flüsterte ein »Okay« in seine zarte Ohrmuschel.
    Die meisten Männer hätten sich erschrocken oder wären zumindest zusammengezuckt, das war Dee klar. Whit blieb jedoch unbeweglich, und damit war sie ihm schon verfallen. Er zerknüllte seine Serviette, als ob Dee gar nicht da wäre, und schob sich aus der Sitznische. »Danke, Sir«, rief er am Tresen zu Cutt hinüber und eilte dann zur Tür hinaus. Mit vor Verblüffung stumpfsinnig aufstehendem Mund blieb Dee im Restaurant zurück, als die kleine Glocke läutete. Sie beobachtete, wie Whit an den Fenstern vorbeimarschierte und zu seinem Auto ging (es war irgendein riesiges schwarzes Modell, das in ihren Augen sehr teuer aussah). Dann verschwand er damit in der Ferne. Während sie ihm nachblickte, hatte Dee die ganze Zeit das Gefühl, dass sich in ihrem Inneren etwas löste, sich ein Knäuel entwirrte, wenngleich auch so schnell, dass sie gar nicht hinterherkam.
    Die raue Stimme ihres Vaters schnürte wieder alles zusammen. »Na, das ist mal ein echter Gentleman«, knurrte er und schloss geräuschvoll die Kasse. »Stinkreich, aber eine ehrliche Haut.«
    Dazu sagte Dee lieber nichts.
    An diesem Tag gab es mittags Hackbraten – der war heiß und machte satt –, und es war so viel los wie noch nie. Die Leute drängten sich am Tresen, und über die Hälfte der Nischen war besetzt. Dee hatte keine Zeit, um über Whit oder Claire oder sonst irgendwen nachzudenken, und das war

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