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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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auf, mit dem Jo und Whit sich vom Rest der Welt abgeschottet hatten, eine so winzige Spalte, dass Jo darin überhaupt keine Schwachstelle sah. Stattdessen strahlte sie über beide Ohren, als sie das Fliegengitter an der Tür öffnete und am kaputten Klavier in der Eingangshalle vorbeirauschte. Die Einkaufstüte ruhte auf ihrer Hüfte, und sie hatte den Kopf voll vom alles einnehmenden Problem des Erwachsenwerdens. Sie war nicht besonders hübsch, das wusste sie. Ihr Haar war schlammfarben, ihre Augen braun wie die Spitze eines Katzenschwanzes und ihr Gang in etwa so anmutig wie der der Seeleute unten am Dock, aber es war wohl trotzdem etwas in ihr, das sie bis ins Mark zur Gilly machte, und das reichte ihr völlig.
    Jo wusste so vieles über das Frausein noch nicht – zum Beispiel, dass einem die meisten Probleme nicht durch die Frauen bereitet werden, bei denen man damit rechnet. Stattdessen verharren die Verursacherinnen oft mucksmäuschenstill an der Seitenlinie, und in Jos Fall war das die Muttergottes.
    Als sich 1959 der Sommer seinem Ende neigte, war das Leben wunderschön – die Brise war perfekt, die Temperaturen angenehm, der Himmel blau wie ein Rotkehlchenei. Bobby Fischer war Schachgroßmeister, Elvis in der Armee, und Jerry Lee Lewis ging immer noch durch das Fegefeuer seiner Great Balls of Fire, weil er seine dreizehnjährige Cousine geheiratet hatte. Am letzten Augustwochenende ließ sich Whit nicht wie sonst bei Jo am Strand blicken, was sie verstimmte, weil ihm nur noch wenige Tage in der Stadt blieben. In diesem Jahr würde er auf ein Internat in Connecticut gehen, wie es sich für einen Sohn der Turners ziemte, und Jo befürchtete verständlicherweise, dass sie nach seiner Rückkehr nicht mehr so nahtlos an ihre alte Freundschaft anknüpfen würde.
    Sie wartete auf dem Sand, bis der Nachmittag schließlich glühend heiß wurde, der Wind nur noch gelegentlich kurz aufflackerte, und es dann an der Zeit war, die Salzkristalle von heute aus den Becken zu kratzen. Ihre Familie nannte sie Salzblumen, und im heißen Sonnenschein eines Spätsommernachmittags sahen die Flocken wirklich aus wie winzig kleine, verstreute Blütenblätter, weißer als die grauen Körnchen, die sich darunter zusammenklumpten, zart wie Feenflügel. Jo griff nach ihrer flachen hölzernen Schaufel und hielt kurz den Atem an, als sie sie über die Wasseroberfläche schob und sie hinter den Kristallen absenkte, ohne diese dabei aufzuwirbeln. Für dieses Salz zahlten die Kunden gerne zehnmal mehr. Ihre Mutter benutzte es noch nicht einmal so wie das normale graue Zeug. Sie gab es nur zu besonderen Anlässen über die Speisen, und zwar kurz vor dem Servieren, damit der prickelnde Geschmack nicht verblasste.
    Mit ruhiger Hand zog Jo die Salzharke zu sich heran und häufte die Flocken zu ihren Füßen auf, beugte sich dann hinunter und füllte sie in eine tiefe hölzerne Schale, die sie zu diesem Zweck mitgebracht hatte. Erst als sie alle Kristalle zusammengetragen hatte, schob sie den grauen Schlamm in einer Ecke des Beckens zu einem Häufchen. Den würde sie über Nacht trocknen lassen und dann einem größeren Haufen hinzufügen, der bis zum Ende der Saison weiter in der Sonne dörrte, bevor sie zum Schluss alles in die Scheune brachte.
    Der Lagerraum erinnerte Jo an eine Art Kapelle. Er war sehr alt, stand tatsächlich bereits von Anfang an mit auf dem Gutsgelände und war eigentlich eher ein Schuppen. Es fehlten nämlich das typische Spitzdach und der Heuboden einer Bilderbuchscheune, aber es gab durchaus Platz für Tiere (auch wenn die Boxen nun leer standen) und ein großes zweiflügeliges Tor. Im Inneren war es düster, staubig und trocken. Im Laufe der Jahre hatte das Salz Flecken und Ringe auf die hölzernen Wände und den Boden gemalt, was den Oberflächen ein kränkliches Aussehen verlieh. Es passte zu den Kartoffelkäfern und anderen Krabblern in den Ritzen. Jo kippte die Flocken aus ihrer Schüssel auf den Haufen dieser Saison und wollte gerade die Schaufel an ihren Haken an der Wand hängen. Diese Handgriffe waren ihr so vertraut wie das Zähneputzen oder Polieren ihrer Stiefel, und sie führte sie immer auf die gleiche Weise durch. Selbst wenn ihr nichts mehr blieb, hatte ihre Mutter sie gelehrt, dann blieb ihr doch immer noch die Ordnung.
    Aus diesem Grund entdeckte sie auch Whit nicht sofort. Er stand hinten in den dunklen Schatten der Scheune, und sie hielt ihn zunächst für einen Geist. Erschrocken fuhr sie zusammen

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