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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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»kannst du in die Stadt laufen und für mich bei der Post vorbeischauen. Wir haben keine Briefmarken mehr.«
    Als Jo in St. Agnes ankam, war das Gotteshaus leer. Sie wusste, dass so früh am Morgen noch niemand den langen Weg hier heraus auf sich nahm, und war dankbar dafür, die Kirche für sich allein zu haben. Als sie den Mittelgang entlangschritt, wurde ihr aber klar, dass sie sich getäuscht hatte. Es war schon jemand hier gewesen, und diese Person hatte etwas zurückgelassen.
    Trotz der frühen Stunde brannte bereits eine Kerze vor der Jungfrau, und daran lehnte ein cremefarbener Umschlag mit verschlungenen Initialen. IMT . Ida May Turner. Verwirrt trat Jo näher. Ida war die einzige Frau in der Stadt, die die Gottesmutter nicht öffentlich verehrte. »Heidnischer Unfug«, blaffte sie immer, wenn eine bedauernswerte Seele sie darauf ansprach. »Ich bin im Leben nicht so weit gekommen, weil ich auf Knien vor einem verhunzten Bildnis herumgerutscht bin.« Jo hatte noch nie gesehen, dass Ida der Muttergottes irgendeine Gabe dargebracht hatte.
    Neben dem Umschlag entdeckte sie eine Halskette, die ihr irgendwie bekannt vorkam. Es war die einzelne Perle an einem Silberkettchen, die Ida manchmal trug und die sich so sehr von ihrem protzigeren Schmuck unterschied. Jo stellte Brot und Salz vor der Muttergottes ab, hielt sich nicht einmal mit einer Kniebeuge auf und beging dann eine derart furchtbare Sünde, dass sie sie niemals beichten würde.
    Einem ungeschriebenen Gesetz zufolge wurden die Gaben für die Muttergottes in St. Agnes bis nach dem Sonntagsgottesdienst nicht angerührt. Anschließend sammelte Pater Flynn sie ein, um die Zettel mit Gebeten und niedergeschriebenen Schuldbekenntnissen ungelesen zu verbrennen. Die Worte an die Muttergottes waren nur für sie bestimmt, egal, ob nun geschrieben oder gesprochen, und niemand – nicht einmal ein Mann der Kirche – hätte es gewagt, gegen diese Regel zu verstoßen. Aber an diesem Tag tat Jo genau das. Sie vergewisserte sich, dass niemand kam, streckte die Hand aus und schob sich dann zuerst den Brief und schließlich auch die Perle in die Tasche.
    »Mein Kind.« Ihr stockte der Atem, und sie zog hastig die Hand wieder hervor. Pater Flynn hatte die lautlosesten Schritte der ganzen Christenheit. Jo faltete die Hände im Schoß und blickte ihn aus dem Augenwinkel an, er schien ihre schreckliche Tat aber nicht bemerkt zu haben. »Du bist ja schon früh hier«, bemerkte er und kniete sich neben sie.
    »Ja«, antwortete Jo mit klopfendem Herzen. »Ich hab Ihnen Brot mitgebracht.«
    »Danke.« Er streckte die großen Hände aus und griff ohne eine Spur von Misstrauen danach. »Du wirkst heute Morgen so still. Du vermisst wahrscheinlich einen gewissen jungen Mann?«
    Jo runzelte die Stirn. »Nein. Wir haben in der Marsch nur viel zu tun, und das Wetter schlägt schnell um.«
    Der Pater tätschelte ihr sanft die Schulter. »Na, dann will ich dich nicht länger aufhalten.« Jo wartete, bis er gegangen war, dann schlich sie auf Zehenspitzen aus dem Gotteshaus, die Hand um den Schatz in ihrer Tasche gekrallt.
    Sie marschierte den Weg entlang und warf dabei immer wieder einen Blick über die Schulter, obwohl sie nicht so recht wusste, vor welchem möglichen Verfolger sie da eigentlich Angst hatte. Das Steilufer lag so verlassen da wie das Haus einer Witwe im Februar. Trotzdem schlug Jo das Herz bis zum Hals. Sie ging immer weiter, bis zum Fuß des Plover Hill. Beim Birnbaum blieb sie stehen. Dies war kein Ort, den aufzusuchen sie jemals die Gelegenheit gehabt hätte, schließlich verabredeten sich hier Pärchen zum Stelldichein. Die Blätter hatten sich braun gefärbt und waren alle abgefallen, Jo marschierte jedoch knirschend durch sie hindurch, setzte sich unter das Dach aus Ästen und starrte zum schindelbedeckten Monstrum auf dem Hügel hinauf – zum Turner-Haus. Wieder befühlten ihre Finger den Brief. Sie vermutete, bereits zu wissen, was darin stand, wollte aber lieber sichergehen. Bevor sie es sich womöglich anders überlegte, riss sie den Umschlag auf, zog die Seiten heraus und las die Worte, die ihr Leben verändern würden.
    Es war eine einfache Geschichte über einen Sturm, der für die Jahreszeit spät losbrach, und zwei Kinder, die geboren wurden – eine Geschichte, die Jo bereits kannte, aber nicht in dieser Version. Sie überflog den Inhalt drei Mal, um sich davon zu überzeugen, dass sie alles richtig verstanden hatte. Danach wusste sie zwei Dinge mit

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