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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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Zeit mit Pater Flynn, aber das konnte Claire ihm kaum verdenken. Wenn sie einen Vater wie Merrett hätte, würde sie sich auch nach einem Ersatz umsehen, aber sie hätte sich vielleicht für jemand Nahestehendes entschieden, für jemanden wie Ethans Onkel Chet.
    Im Verlauf des Schuljahres fragte sich Claire ständig, ob Ethan ihr wohl einen Antrag machen würde. An Weihnachten packte sie die Gedichtbände aus, die er für sie gekauft hatte, und blätterte die Seiten durch, ohne ein einziges Wort zu sehen. Am Valentinstag vergrub sie die Nase in den Blütenblättern der ihr überreichten roten Rose in der Hoffnung, dort einen glitzernden Ring zu entdecken. Beim Abschlussball schwebte sie in einer fiebrigen Wolke aus Seide, Parfüm und Haarspray herbei. Aber Ethan hatte ihr beim Tanzen nur die Hände wie üblich auf die Hüften gelegt und flüsterte ihr »Ich liebe dich« ins Ohr, ging aber nicht vor ihr auf die Knie.
    Als schließlich die Zeugnisvergabe bevorstand, hatte Claire sich bereits die Fingernägel abgekaut. Ethan nahm sein Zeugnis mit festem Händedruck entgegen und warf wie alle anderen auch seinen Hut in die Luft, aber er zog sie danach nicht in eine schummerige Ecke, um eine kleine Samtbox aus der Tasche seiner Robe zu holen. In jenem Jahr war Claire zu Beginn der Salzsaison so bitter wie ein Holzapfel und fing wieder damit an, sich bei jeder Gelegenheit mit Jo anzulegen.
    »Hast du nie Angst, hier zwischen dem ganzen Zeug zu versauern?«, fragte sie zum Beispiel. Sie standen in der Scheune und machten kleine Salzsäckchen zurecht. Claire warf sich den Zopf über die Schulter und sah zu, wie Jo einem weiteren Beutel den Hals umdrehte. Die Schließbewegung erinnerte sie daran, wie Mama dem Geflügel den Garaus machte, wenn es mal wieder Zeit für Hühnchen war.
    »Sei einfach nur froh darüber, dass du es nicht auch noch verkaufen musst«, entgegnete Jo. Das war nämlich ihre Aufgabe – sie hockte in der kleinen Bude, die sie in der Stadt aufgestellt hatten, und verkaufte das Kap-Salz für wenig Geld an Touristen. Den Verkauf hasste Claire genauso wie den Rest des Salzgeschäftes. Das alles war ihr einfach nur peinlich. Jetzt ließ sie sich nicht einmal dazu herab, Jo zu antworten. Stattdessen steckte sie sich eine Zigarette an. Ethan war jetzt schon seit drei Wochen auf dem Boot seines Vaters unterwegs, und ihre Nerven schrillten vor Anspannung wie Feuerwehrsirenen.
    Sie sah hoch und entdeckte, dass Jo heftig vor ihr herumfuchtelte. »Mach die aus! Du weißt doch, dass die Scheune das reinste Pulverfass ist!« Jo hatte durchaus recht. Hier zu rauchen war genauso riskant wie neben einer Zapfsäule. Allein der Staub war schon so trocken, dass er jeden Augenblick in Flammen aufgehen könnte, ganz zu schweigen von den wurmstichigen Wänden, dem verzogenen Fußboden und dem splittrigen Dach.
    Claire scherte das nicht. Sie legte den Kopf zur Seite und blies den Rauch direkt nach oben. »Führ dich doch nicht wie so eine alte Schachtel auf«, rief sie. »Kannst du nicht mal ein bisschen Spaß haben?«
    Jo knirschte nur mit den Zähnen. Sie sah aus, als würde sie Claire am liebsten umbringen, und ihre viel zu ruhige Stimme verriet ihrer Schwester, wie wütend sie wirklich war: »Nein, ich kann leider keinen Spaß haben. Sieh dich doch mal gut um, Claire. Bedauerlicherweise hat Daddy keine Nachsendeadresse hinterlassen, Mama und ich arbeiten sieben Tage die Woche, und trotzdem rauscht weiterhin das Meer, das Salz bildet sich noch immer, und hier geht alles weiter den Bach runter.« Sie kniff die Augen zusammen und trat näher an Claire heran. »Gilly-Frauen sind nicht geboren, um Spaß zu haben.«
    Claire nahm einen letzten Zug und rollte mit den Augen, bevor sie die Zigarette austrat. Das alles musste man ihr nun wirklich nicht erklären, und aus genau diesen Gründen hatte sie eben nicht vor, noch viel länger eine Gilly zu bleiben.
    »Wie du willst«, murmelte sie. »Dann stirb eben als alte Jungfer. Als ob mich das interessieren würde.« Sie würdigte Jo keines weiteren Blickes und ließ sie einfach mit der restlichen Arbeit stehen.

K APITEL 7
    I m ersten Sommer, in dem Whit aus dem Internat zurückkehrte, vereinbarten Jo und er durch ihre üblichen Zeichen, sich eine Stunde nach Ende der Messe auf Drake’s Beach zu treffen. Das war später als sonst, Whit verriet Jo jedoch durch das Hochziehen der Augenbrauen, dass er eine Überraschung für sie hatte. Sie errötete in der Kirchenbank, vergewisserte sich

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