Das Geheimnis der Schnallenschuhe
dachte er über die verschiedenen phantastischen Aspekte nach, die die Lage bot.
Hatte er sich geirrt, als er in der Stimme am Telefon Mrs Olivera zu erkennen glaubte? Oder hatte er sich nicht geirrt? Der Gedanke war absurd!
Er rief sich die dramatischen Enthüllungen des stillen, kleinen Mr Barnes ins Gedächtnis zurück und stellte Mutmaßungen an über die geheimnisvollen Wege des Mr QX 912, alias Albert Chapman.
Mit plötzlichem Unbehagen erinnerte er sich an den ängstlichen Blick des Stubenmädchens Agnes. Es war immer dasselbe: Die Leute wollten mit einzelnen Dingen nicht herausrücken! Meist waren es ganz unwichtige Dinge; aber solange sie nicht aus dem Weg geräumt waren, kam man nicht vorwärts. Und was lag augenblicklich nicht alles auf seinem Weg!
Was ihn am meisten am klaren Denken und methodischen Fortschreiten hinderte, war das widerspruchsvolle und unlösbare Problem Sainsbury Seale. Denn wenn die Tatsachen stimmten, die Hercule Poirot festgestellt hatte, dann ergab überhaupt nichts mehr einen Sinn! Poirot fragte sich, voll Erstaunen über seine eigene Frage: «Könnte es sein, dass ich alt werde?»
6
N ach einer unruhigen Nacht war Poirot am anderen Morgen frühzeitig auf den Beinen. Das Wetter war herrlich, und er ging noch mal den gleichen Weg, wie am Abend zuvor.
Die Büsche und Sträucher standen in voller Pracht, und obwohl Poirots persönlicher Geschmack zu einer regelmäßigeren Anordnung der Blumen neigte – wie die ordentlichen Geranienbeete, die man in Ostende sieht –, war ihm doch klar, dass hier der Geist englischer Gartenpflege seinen vollkommensten Ausdruck gefunden hatte. Sein Weg führte ihn weiter durch einen Rosengarten, wo ihn die Anlage der Beete entzückte, und dann in Windungen durch einen alpinen Steingarten, bis er schließlich zu dem von einer Mauer eingefassten Küchengarten gelangte. Hier bemerkte er eine kräftige Frau im Tweedkostüm, mit dunklen Augenbrauen und kurz geschnittenem schwarzem Haar, die in der langsamen und eindringlichen Sprechweise der Schotten auf einen Mann einredete, der offenbar der Obergärtner war. Es fiel Poirot auf, dass der Obergärtner an der Unterhaltung keine große Freude zu haben schien.
In Miss Helen Montressors Stimme war ein deutlich sarkastischer Ton nicht zu überhören, und Poirot huschte schnell auf einem Seitenweg davon.
Ein Gärtner, der sich – wie Poirot vermutete – rastend auf seinen Spaten gestützt hatte, begann plötzlich eifrig zu graben. Poirot kam näher. Der Mann, ein junger Bursche, grub weiter, mit dem Rücken zu Poirot, der stehen blieb, um ihn zu beobachten.
«Guten Morgen», sagte Poirot freundlich.
Ein gemurmeltes «Morgen, Sir» war die Antwort, aber der Mann hörte nicht auf zu arbeiten.
Poirot war etwas erstaunt. Nach seinen Erfahrungen war ein Gärtner, so sehr er auch bestrebt sein mochte, den Eindruck fleißiger Arbeit zu erwecken, gewöhnlich nur allzu bereit, seine Tätigkeit zu unterbrechen und ein paar Worte zu plaudern, wenn man ihn ansprach.
Nachdenklich setzte er seinen Weg fort, verließ den ummauerten Küchengarten und blieb stehen, um einen mit Büschen bewachsenen Hügel zu betrachten.
Auf einmal erhob sich, einem phantastischen Mond vergleichbar, ein runder Gegenstand langsam über die Gartenmauer. Es war Hercule Poirots eiförmiger Kopf, und Hercule Poirots Augen betrachteten mit starkem Interesse den jungen Gärtner, der jetzt zu graben aufgehört hatte und sich mit dem Hemdärmel den Schweiß von der Stirn wischte.
«Sehr sonderbar und interessant», murmelte Hercule Poirot, indem er vorsichtig den Kopf wieder hinter der Mauer verschwinden ließ. Er tauchte aus den Büschen auf und klopfte sich ein paar Zweige und Blätter ab.
Ja, es war tatsächlich sehr sonderbar und interessant, dass Frank Carter, der einen Sekretärsposten auf dem Lande bekleidete, als Gärtner im Dienste Alistair Blunts tätig war. Während er darüber nachdachte, hörte er in einiger Entfernung Gongschläge und ging zum Haus zurück. Auf dem Weg begegnete er seinem Gastgeber im Gespräch mit Miss Montressor, die soeben durch die andere Tür aus dem Küchengarten gekommen war. Ihre Stimme mit der rollenden schottischen Aussprache war klar und deutlich zu hören: «Es ist sehrr lieb von dirr, Alistairr, aberr ich ziehe es vorr, diesmal keine Einladung anzunehmen, währrend deine amerrikanischen Verrwandten auf Besuch sind.»
«Julia ist leider ziemlich taktlos, aber sie hat es bestimmt nicht so
Weitere Kostenlose Bücher