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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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war erstaunlich, wie schnell er sie in Rage brachte. Schließlich schaffte sie es mit reiner Willenskraft, wortlos das Zimmer zu verlassen, auch wenn sie die Tür hinter sich zuknallte. Eine kindische Trotzreaktion, die ihr trotzdem guttat.
    Im Wohnzimmer blieb sie kurz stehen. »Ich bin gleich wieder da, Mädels. Arbeitet weiter.«
    Sie schnappte sich ein Sweatshirt vom Sofa, verließ das Cottage und ging hinunter zum Reitstall, vor dem unzählige Trucks und Anhänger standen.
    In der Arena herrschte geordnetes Chaos. Kinder und Hunde rannten wild durch die Tribünen und jagten die Stallkatzen. Ein paar Frauen und Mädchen ritten in der Arena und übten fliegende Wechsel. Janie, die aus dem College zurück war, arbeitete am Außenrand mit ihrer Stute, und Pam Espinson führte ihren Enkel auf seinem neuen Pony.
    Vivi Ann überflog die Menge und entdeckte Aurora auf der Tribüne, von wo sie ihrer Tochter zusah. Sie steckte die Hände in die Hosentaschen und ging zu ihrer Schwester. Um sie herum herrschte ein Gewimmel aus Reitern und Pferden, dröhnte das Donnern der Hufe auf dem Lehmboden. Sie schlängelte sich geschickt durch die Menge und nahm neben Aurora Platz. »Schön, Janie wieder reiten zu sehen.«
    Aurora lächelte. »Schön, sie überhaupt wiederzusehen. In letzter Zeit ist das Haus schrecklich leer.«
    »Ich beneide dich«, sagte Vivi Ann.
    »Wegen Noah?«
    Vivi Ann lehnte sich an ihre Schwester. »Gibt es denn kein Lehrbuch zur Erziehung von Teenagern?«
    Aurora lachte und legte ihr den Arm um die Schultern. »Nein, aber …«
    »Was, aber?« Vivi Ann wusste, was jetzt kam, und versteifte sich.
    »Du unternimmst am besten was, bevor er noch jemanden verletzt.«
    »Das würde er niemals tun.«
    Aurora sah sie an. Sie sagte nichts, aber beide wussten, dass sie an Dallas dachte.
    »Er würde das nicht tun«, wiederholte Vivi Ann, klang aber dieses Mal nicht mehr so überzeugt. »Ich muss nur eine sinnvolle Beschäftigung für ihn finden.«
    Der Verkehr auf der First Street war an diesem letzten Schultag mehr als zähflüssig. Zweifellos saßen alle Schulabgänger in diesem Augenblick in ihren Wagen und fuhren hupend und jubelnd durch die Stadt. Winona sah auch ein paar gelbe Schulbusse im Stau und konnte sich denken, wie die müden Busfahrer das fanden.
    Wenn sie zehn Minuten früher oder später losgefahren wäre, würde sie nicht hier feststecken. Schließlich hatte sie es nicht so eilig.
    Am Hood Canal war jetzt Sommeranfang und außerdem genau der Tag im Juni, an dem die meisten Schulen der Umgegend ihr Schuljahr beendeten. Diese beiden Faktoren zusammengenommen bewirkten einen riesigen Verkehrsstau. Ein großes Wohnmobil nach dem anderen schob sich die enge, gewundene Straße hinunter. Die meisten von ihnen zogen noch ein zweites Fahrzeug: Boote, kleinere Wagen, Fahrräder, Jetskis. Schließlich kam in den goldenen Sommermonaten niemand zum Stubenhocken an den Kanal; sie alle wollten sich im warmen blauen Wasser vergnügen.
    Auf dem Highway fuhr sie an Bill Gates’ Festung und dem prächtigen Anwesen Alderbrook vorbei, wo Yuppies zu Weinverkostungen, Hochzeiten und Wellnessbehandlungen zusammenkamen.
    Neben ihr schlängelte sich der Hood Canal; manchmal verlief die Straße direkt am Ufer, manchmal war sie Hunderte von Metern davon entfernt. Als sie sich schließlich Sunset Beach näherte, fuhr sie langsamer und bog auf den sanft abschüssigen Schotterweg zum Haus ein, das sie erst eine Woche zuvor gekauft hatte.
    Ihr neuestes Projekt war ein langgezogener Bungalow aus den Siebzigern, der einst als Sommerhaus für eine große Familie aus Seattle gedacht war. Es gab sechs Schlafzimmer, ein Bad, eine winzige Küche und ein Esszimmer, das bequem in ein Motorboot gepasst hätte. Eine riesige überdachte Terrasse ragte über den Kanal, und rechts davon führten Stufen zu einem siebzig Meter langen Anleger, der vom Vogeldreck weiß gesprenkelt war. Jeder Quadratzentimeter des Gebäudes war entweder verfallen, verwahrlost oder einfach hässlich, aber das Grundstück wog alles auf. Es wurde von riesigen Zedern von der Straße abgeschirmt und von allen Seiten von Rasen umgeben. Vor den Bäumen standen riesige, gerade blühende Rhododendren und unzählige wilde Margeriten. Das achttausend Quadratmeter große Grundstück fiel sanft zu einem Sandstrand ab. Weiß schimmernde Austernmuscheln schmückten das Ufer, durchsetzt von wunderschön blinkenden bunten Scherben. Denn hundert Jahre zuvor war dieser

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