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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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wurde wochenlang renoviert.«
    »Erzähl mir doch mal was, was ich noch nicht weiß.«
    »So einfach das auch wäre, ziehe ich es doch vor, nach meinen neuen Nachbarn zu sehen.« Sie trat den Rückweg über die steile Treppe und den ungepflegten Rasen an. Alles in diesem Teil des Grundstücks war zugewuchert und hatte fast Urwaldgröße: riesige Rhododendren, in die Höhe geschossener Wacholder und Hecken auf Expansionskurs. Sie spähte durch eine kleine Lücke im Dickicht, um einen Blick auf das Haus zu werfen. Unglücklicherweise stand der Umzugswagen direkt davor. Enttäuscht kehrte sie zu ihrem eigenen Haus zurück und fing an, die Terrasse zu reinigen.
    Sie war zur Hälfte fertig und stand nass und verschwitzt in den Pfützen des Hochdruckreinigers, als sie bemerkte, dass ein Mann an ihrer Terrasse wartete und verlegen lächelte. Er war groß und gedrungen, hatte ein angenehmes Gesicht und schütteres Haar. Er trug ein teures Hawaiihemd aus Seide, Khakishorts und Leder-Flipflops. Auf der Stelle wusste sie, dass er ein Sommergast war und hier das verbringen wollte, was die Touristen lächerlicherweise als »Saison« bezeichneten. Wahrscheinlich kam er aus Bellevue oder Woodinville. Kein Wunder, dass er so viel Geld in die Renovierung des alten Shank-Hauses investiert hatte, ohne sich die Mühe zu machen, die Arbeiten zu überwachen. Neben ihm stand ein hübsches, etwa dreizehnjähriges Mädchen mit roten Haaren.
    Winona schaltete den Hochdruckreiniger aus und legte die Düse auf den Boden. Dann fuhr ihr durch den Sinn, wie sie aussehen musste: alte Shorts, altes, nasses T-Shirt, feuchte Haarsträhnen, die ihr aus dem Pferdeschwanz gerutscht waren. Sie versuchte, das Bild ihrer dicken, madenweißen Beine zu verdrängen. »Hallo«, grüßte sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Sie müssen die neuen Nachbarn sein.«
    Der Mann kam mit ausgestreckter Hand auf Winona zu. »Ich bin Mark, und das ist meine Tochter Cissy.«
    Winona gab ihm die Hand. Sein Händedruck war fest und selbstbewusst. Das gefiel ihr. »Ich bin Winona.«
    »Schön, Sie kennenzulernen, Winona.« Dann holte er tief Luft, atmete wieder aus und blickte sich um. Seltsamerweise musste sie an einen König denken, der sein Reich überblickte. »Es ist wunderschön hier.«
    Sie strich sich das verschwitzte Haar aus der Stirn. »Ich kann mich nie an dem Anblick sattsehen.«
    »Unvergleichlich – und unvergesslich.«
    Winona sah Noah den Anleger heraufkommen und schätzte, dass es Mittag war. Der Junge hatte vielleicht keine Vorstellung von Arbeit, aber mit Pausen kannte er sich aus. Oben an der Treppe blieb er stehen und schlurfte dann langsam, mit hängenden Schultern, den Händen in den Hosentaschen und den Haaren im Gesicht, auf sie zu.
    »Ist das Ihr Sohn?«
    »Nein«, sagte sie schnell.
    Noah warf ihr einen mürrischen Blick zu.
    »Das ist Noah. Der Sohn meiner Schwester. Noah, dies sind Mark und Cissy.«
    Noah zuckte kaum merklich mit seinem Kinn. »Alles klar?«
    Unglücklicherweise klang es eher wie Aasklar . Winona unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen. Mit seiner dreckigen, ausgebeulten Hose und dem provisorischen Gürtel sah er aus wie ein Obdachloser. Seine lächerlich großen Skaterschuhe erinnerten an aufgehenden Hefeteig.
    Jetzt würde Mark ganz sicher seine kostbare hübsche Tochter an sich ziehen und zurück in sein Haus eilen.
    Doch er sagte: »Cissy und ich wollen gleich das Boot zu Wasser lassen und vielleicht ein bisschen Wasserski fahren. Hätten Sie Lust, sich uns anzuschließen?«
    Winona war überrascht. »Ihre Frau –«
    »Ich bin geschieden.«
    Plötzlich sah Winona ihn in einem völlig neuen Licht. Er war etwa fünf bis zehn Jahre älter als sie, doch sein Lächeln war wirklich nett. »Leider hat Noah keine Badehose dabei.«
    »Doch, hab ich an«, erklärte er. »Unter meinem coolen Klebebandgürtel.«
    »Du hast eine Badehose an?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich gehe manchmal schwimmen.«
    Mark lächelte. »Also abgemacht. Wir bereiten alles vor, dann treffen wir uns an unserem Anleger. Sagen wir: in einer halben Stunde?«
    »Ist gut«, war Winona einverstanden. Kaum waren sie verschwunden, stürzte sie ins Haus und betrachtete sich im Spiegel. »Oh Gott.« Es war schlimmer als befürchtet. Sie sah aus wie das Kind von Demi Moore und dem Michelinmännchen: dicke weiße Beine, fleischige Arme, strähniges, krauses Haar, T-Shirt mit Schweiß- und Wasserflecken. Sie eilte unter die Dusche, wusch sich die

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