Das Geheimnis der Schwestern
Aber das ist mir egal.
Als wir nach Hause kamen, war Mom so cool, dass ich sogar allein bleiben durfte, während sie mit Tante Winona ins Outlaw ging. Normalerweise erlaubt sie das NIE . Ich glaube, sie hat Angst, ich könnte Crack rauchen oder das Haus abfackeln, aber heute Abend sagte sie, ich würde jetzt erwachsen und hätte gute Entscheidungen getroffen und damit eine Chance verdient.
Meine Mom ist gerade vom Outlaw nach Hause gekommen und hat gelacht und war glücklich. Ich hab sie schon lange nicht mehr so gesehen. Sie hat sich sogar zu mir auf die Couch gesetzt, mir den Arm um die Schultern gelegt und gesagt, es täte ihr leid und sie wäre stolz auf mich. Sie sagte zwar nicht, was ihr leidtut, aber ich wusste, es war wegen meinem Dad und der ganzen verfahrenen Situation, deshalb sagte ich, ich wäre okay. Ich weiß, das war dumm, aber es gefiel mir, als sie sagte, sie wäre stolz auf mich. Es war irgendwie cool.
Einundzwanzig
»Okay, da sind wir. Um was für einen Notfall handelt es sich?«
Winona drehte sich um und sah, dass ihre Schwestern in der Haustür standen. »Um einen Aussehens-Gau. In einer Stunde bin ich mit Mark verabredet, und bis dahin muss ich vierzig Pfund abnehmen und brauche ein neues Outfit. Ein Ganzkörperpeeling wäre wohl auch nicht verkehrt.«
»Tief durchatmen«, sagte Vivi Ann.
»Sie liegt doch nicht in den Wehen. Atmen hat noch nie funktioniert. Ich sage, sie braucht was zu trinken«, erklärte Aurora.
»Sie kann sich doch vor ihrem Date nicht betrinken«, meinte Vivi Ann lachend. »Außerdem ist das in letzter Zeit dein Allheilmittel gegen alles.«
»Beständigkeit ist eine Tugend«, erwiderte Aurora spröde. »Ich bin gleich wieder da.« Sie verschwand und war im Handumdrehen wieder zurück. Dabei hatte sie ihr Beautycase (einen Designerkoffer, mit dem man auf große Fahrt hätte gehen können) und eine hübsche pinkfarbene Tüte von einer Boutique auf der Main Street.
»Was ist das denn?«, fragte Winona. »Ich hab euch doch erst vor einer Viertelstunde angerufen.«
»Aber wir haben mit deinem Anruf gerechnet«, erwiderte Vivi Ann. »Weißt du noch, wie der Banker aus Shelton mit dir ausgehen wollte? Du warst ein einziges Wrack.«
»Und bei dem Lehrer aus Silverdale hast du dich vorher, glaube ich, übergeben müssen«, fügte Aurora hinzu.
»Ja, hat sie.«
Winona ließ sich auf ihr Sofa vom Trödel fallen und bemerkte zum ersten Mal, dass es nach Benzin roch. »Ich bin ein hoffnungsloser Fall.«
Vivi Ann setzte sich neben sie. »Nein. Du machst dir Hoffnungen. Das ist das Problem. Vielleicht ist dieser Mann endlich der Richtige. Dein Neo.«
»Musst du das Wort endlich benutzen? Und du weißt genau, dass ich mit den Matrix-Filmen nichts anfangen kann. Sie sind unlogisch.«
»Sie sucht nach Tom Hanks aus Schlaflos in Seattle« , sagte Aurora. Sie alle wussten – ohne es je zu erwähnen –, dass Winona immer mutloser in Sachen Liebe geworden war, seit Luke sieben Jahre zuvor geheiratet hatte. Ihr Selbstwertgefühl – was Männer betraf, ohnehin schon immer angeschlagen – tendierte mittlerweile gegen null. »Kommt schon, fangen wir mit der Krisenintervention an. Ricky kommt dieses Wochenende nach Hause, daher will ich noch seine Lieblingsenchiladas machen.«
Winona ließ sich von ihrer Begeisterung und ihrer selbsterklärten Expertise überzeugen. Vivi Ann glättete sorgfältig ihre langen Haare, Strähne für Strähne, bis sie wie seidige Säulen ihr Gesicht einrahmten. Aurora schminkte sie überraschend zurückhaltend: Mascara, rauchig violetten Lidschatten, einen Hauch rosafarbenes Rouge und dezenten Lippenstift, der die Farbe ihrer Augen betonte.
»Wow«, sagte Winona und lächelte ihr Spiegelbild an. »Zu schade, dass er nicht nur mit meinem Kopf ausgehen kann.«
Aurora trat von hinten an sie heran und hielt ihr ein durchscheinendes schwarzes Empirekleidchen mit einem tief ausgeschnittenen Top und einem Crinklerock an.
»Dann sieht man aber meine Arme«, meinte Winona.
»Und deinen Busen«, bestätigte Aurora und zog Winona das T-Shirt aus, während Vivi Ann ihr aus der Jogginghose half. »Hast du dich rasiert?«
»Ganz blöd bin ich auch nicht.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Hier.«
Aurora streifte Winona das Kleid mit dem Stretchoberteil über den Kopf. Es fiel locker herunter, und Winona drehte sich zum Spiegel und versuchte, sich mit Marks Augen zu sehen: eine große, starkknochige Frau mit einem recht hübschen Gesicht und wabbligen
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