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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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sichtlich Kraft, schweigend zuzusehen, wie der Richter die Plädoyers durchlas.
    Schließlich blätterte er die letzte Seite um und blickte auf. »Ich sehe keinen Grund, mich noch zu beraten. Die Fakten und Argumente erscheinen mir klar. Der Antrag der Verteidigung wird abgelehnt. Der Gefangene muss wieder in Haft.« Donnernd ließ er seinen Hammer niedergehen. »Der nächste Fall.«
    Wieder brach Unruhe im Gerichtssaal aus.
    Winona saß wie betäubt da.
    »Netter Versuch«, sagte Dallas. »Sag Vivi –«
    Doch da waren schon die Wachmänner da und führten ihn ab. Sie hörte Noah etwas rufen; wahrscheinlich versuchte er, sich durch die Menge zu drängen, aber es war zu spät.
    Langsam drehte sie sich um und sah, dass Vivi Ann Noah im Arm hielt. Beide weinten.
    Winona sank auf ihren Stuhl und starrte benommen zum Richtertisch. Sie hörte, wie sich hinter ihr der Saal leerte, hörte die Stimmen der Besucher, die sich gegenseitig Ich wusste es bestätigten. Sie wusste, Aurora würde jetzt verwirrt und hin- und hergerissen sein in dem Wunsch, jeder ihrer Schwestern zu helfen. Aber am Ende würde Vivi Ann wohl deutlicher ihre Hilfe brauchen, und Aurora würde sich für sie entscheiden. Was auch richtig war.
    »Du warst großartig.«
    Sie sehnte sich so verzweifelt nach Trost, dass sie offenbar fantasierte und meinte, seine Stimme zu hören. Ohne große Erwartungen sah sie nach links.
    Da stand Luke und hielt ihr mit kaum merklichem Lächeln die Hand hin. »Komm.«
    Dreißig Jahre zuvor hatte er genau dasselbe gesagt und damit ihre Freundschaft begründet. Es wird leichter , hatte er damals gesagt, und diese Worte waren ihr Treibholz gewesen, das sie über Wasser hielt. Jetzt war er wieder da, gerade als sie einen Freund brauchte. Sie nahm ihre schwere Aktentasche und bat Luke, ihr bei den Kisten zu helfen. Eine knappe Stunde brachten sie schweigend die unzähligen, jetzt nutzlos gewordenen Notizen und Akten zurück, die sie in dem Versuch, Dallas freizubekommen, angehäuft hatte. Danach ging sie mit ihm zu ihrem Haus, mixte zwei Drinks und trat hinaus auf die hintere Veranda, wo er auf der Hollywoodschaukel saß.
    »Willst du darüber reden?« Das war seine erste Frage, kaum dass sie beide bequem saßen.
    »Da gibt es nicht viel zu reden. Vivi hatte recht. Am Ende habe ich allen nur weh getan.« Sie blickte kurz zu ihm. »Jetzt wirst du wohl sagen, dass ich schon immer so war.«
    »Nein.«
    Etwas in seiner Stimme, Traurigkeit vielleicht, überraschte sie. »Warum bist du hergekommen, Luke?«
    »Ich dachte, du bräuchtest einen Freund.«
    Sie sah ihm an, dass das noch nicht alles war. »Und?«
    Da lächelte er. »Und ich brauchte auch einen.«
    »Probleme mit deiner Frau?«
    »Exfrau.«
    Winona runzelte die Stirn. »Seit wann?«
    »Seit drei Jahren.«
    »Und du hast mir nie davon erzählt? Wieso nicht?«
    »Es war mir peinlich. Schließlich hab ich dir doch mal gesagt, sie wäre meine Seelenverwandte.«
    »Mehr als einmal, um genau zu sein.«
    Er lächelte so schuldbewusst wie ein kleiner Junge, der auf frischer Tat ertappt worden war. »Meine Seelenverwandte hatte wohl Hummeln im Hintern. Sie ging eines Tages einkaufen und kam nie mehr zurück. Letzte Woche haben wir die Scheidungspapiere unterschrieben. Das Schlimmste daran ist, dass sie nicht mal die Mädchen sehen will.«
    »Oh, Luke. Wie geht es ihnen denn?«
    »Nicht besonders. Mit vier und sechs ist so was schwer begreiflich, und sie fragen ständig, wann ihre Mom zurückkommt. Vielleicht ist es nicht gut, in einem Haus mit so vielen Erinnerungen wohnen zu bleiben.«
    »Oder in einer solchen Stadt«, erwiderte Winona und fragte sich, wann sie wohl aufhören würde, an Dallas zu denken, wenn sie über den Shore Drive oder nach Water’s Edge fuhr. Sie lehnte sich zurück und blickte in ihren Garten. Im Zwielicht des anbrechenden Abends schimmerte alles silbrig und schien leicht unwirklich. »Vielleicht solltest du Vivi Ann mal besuchen. Sie könnte jetzt eine Schulter zum Anlehnen brauchen.«
    »Ich bin deinetwegen hier«, sagte er leise, und plötzlich stand ihre Vergangenheit mit all ihren Höhen und Tiefen zwischen ihnen. Er nahm ihre Hand. »Ich war heute sehr stolz auf dich.«
    »Danke«, sagte sie und war überrascht, wie viel dieses einfache Lob ihr bedeutete. Bei den vielen Enttäuschungen und schmerzlichen Gefühlen, die sie in der letzten Zeit verursacht hatte, hatte sie vergessen, wie wichtig es war, dass sie aus den richtigen Gründen gehandelt hatte.

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