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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Vater und betrachtete ihn genau. Falten hatten sich tief in sein Gesicht gegraben; seine dunklen Augen wurden von schweren Lidern überschattet. »Als Mom starb, hab ich gesehen, dass du geweint hast«, sagte sie leise und spürte, wie die Erinnerung an diese Nacht Gestalt annahm. »Du warst bei ihr am Bett.«
    Darauf sagte er nichts. Da er es weder leugnete noch bestätigte, fragte sich Vivi Ann auf einmal, ob diese Erinnerung, die sie immer für real gehalten hatte, wirklich der Realität entsprach.
    »All die Jahre hab ich das für romantisch gehalten, dabei hatte ich die Wahrheit direkt vor Augen. Aurora hat sie als Erste gesehen. Winona versucht, sie zu verdrängen. Aber Vivi Ann, das Dummchen, merkt es erst jetzt. Selbst wenn du geweint hast, hattest du doch einen anderen Grund, als ich dachte. Du hast nicht die geringste Ahnung von Liebe, oder?«
    »Wenn du deinen Indianer da meinst –«
    »Das reicht«, fauchte Vivi Ann und war überrascht, dass er von dem Nachdruck in ihrer Stimme zurückzuweichen schien. »Ich verbiete dir, überhaupt von ihm zu reden.«
    Noch bevor ihr Dad antworten konnte, sprang die Haustür auf. Sie hörte, wie jemand durchs Haus stürzte und laut ihren Namen rief.
    Aurora platzte ins Fernsehzimmer. »Vivi Ann«, sagte sie. »Ich hab gerade die Nachrichten gesehen. Geht es dir gut?«
    Vivi Ann sah zu ihrem Vater, und mit diesem flüchtigen Blick fielen die letzten Mauern ihrer Jugend. Zum ersten Mal sah sie ihn nicht nur, sondern erkannte auch, wie er war. »Du tust mir leid«, sagte sie und bemerkte, dass er zusammenzuckte.
    Sie ging an ihm vorbei und hakte sich bei Aurora unter. Zusammen verließen sie das Haus und traten hinaus ins rosafarbene Abendlicht.
    »Was zum Teufel war denn das?«
    »Er ist ein Arschloch«, erklärte Vivi Ann.
    Aurora grinste. »Wurde auch Zeit, dass du das merkst.«
    »Wieso hab ich das nicht mitgekriegt?«
    »Wir sehen nur, was wir sehen wollen.«
    Vivi Ann umarmte ihre Schwester und flüsterte: »Danke, dass du gekommen bist.«
    »Wie fühlst du dich denn?«
    »Ich wusste, dass das passieren würde. Ich hoffte zwar, ich würde mich irren, aber eigentlich wusste ich es.«
    »Und Noah?«
    Vivi Ann seufzte. »Die Nachricht wird ihn hart treffen. Er hat sich falschen Hoffnungen hingegeben.«
    »Was wirst du ihm sagen?«
    Der Gedanke an das bevorstehende Gespräch machte ihr Angst. »Ich weiß nicht. Wenn man wartet, sind Worte nur Schall und Rauch.« Sie verstummte, weil sie nicht daran denken wollte. »Ich sag ihm wohl, dass ich ihn liebhabe. Was sonst?«
    Ich hatte kaum Zeit, die Neuigkeit zu verdauen, dass Dads DNA nicht mit der vom Tatort übereinstimmt, da machte Tante Winona alles kaputt, als sie uns mitteilte, die Staatsanwaltschaft würde eine Revision anfechten, damit Dad im Gefängnis bleibt.
    Ich sagte: »Aber er ist doch unschuldig.«
    »Wenn die DNA -Spuren wirklich den Ausschlag für seine Verurteilung gegeben hätten, wäre er jetzt vielleicht freigekommen«, sagte sie, »aber es gab noch jede Menge anderer belastender Beweise.«
    Doch es geht trotzdem voran. Tante Winona hat ihren Antrag eingereicht, genau wie die Staatsanwaltschaft, und nächste Woche fahren wir alle zum Gericht, um zu sehen, was sich ergibt, aber eigentlich weiß ich es schon. Tante Winona hat sich mit mehreren Anwälten beraten, die alle dasselbe sagen. Wir sollen es weiter versuchen, uns aber nicht zu große Hoffnungen machen. Die Staatsanwältin hat irgendeiner Zeitung erzählt, Dad hätte die Frau vielleicht aus Eifersucht umgebracht, weil ein anderer sie gevögelt hat.
    Sie biegen alles so, wie sie es haben wollen.
    Es ist schon komisch, Mrs I. Obwohl Sie das ganze Zeug hier nicht gelesen haben, fühle ich mich trotzdem, als würde ich mit Ihnen reden. Jetzt gäbe ich alles für eine Ihrer däm lichen Fragen wie: »Wer bin ich?« Oder: »Was will ich aus mei nem Leben machen?« Oder auch: »Wie gewinne ich Freunde?«
    Es ist viel leichter, über den ganzen Scheiß in der Schule nachzudenken als über mein richtiges Leben. Ich wünschte, ich könnte mit Cissy darüber reden. Wenn ich mich mit ihr zusammensetze, geht es mir nachher immer besser. Aber ihr Scheißvater hält mich immer noch für einen Terroristen und erlaubt nicht, dass wir nach der Schule zusammen sind. Dadurch zieht sich die Zeit zwischen den Schultagen wie Kaugummi.
    Die gute Neuigkeit aber ist, dass ich nicht mehr die Selbstbeherrschung verliere. Zumindest bis jetzt nicht, weil ich dachte, mein Dad

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