Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
Vom Netzwerk:
so nah vor, als bräuchte sie nur die Hand auszustrecken, um sie zu berühren; unglaublich, dass sie über eine Meile entfernt waren. Sie hatte sich gerade die nächste Rechnung vorgenommen – für Bauholz –, da hörte sie einen Wagen vorfahren. Kurz darauf ertönten schwere Schritte auf den Stufen der Veranda, und dann klopfte jemand.
    Sie schob die Rechnungen beiseite und ging öffnen.
    Auf der Veranda stand ein Mann und blickte auf sie herab. Zumindest dachte sie das, genau feststellen konnte sie es nicht, da ein staubiger weißer Cowboyhut die obere Hälfte seines Gesichts bedeckte. Der Mann war groß und breitschultrig und trug zerschlissene, schmutzige Jeans und ein Bruce-Springsteen-T-Shirt, das schon bessere Tage gesehen hatte. »Ich bin wegen dem Job hier.«
    Sie meinte, einen leichten Akzent zu hören – Texas oder auch Oklahoma. Dann nahm er den Hut ab und strich sich sofort die schulterlangen, glatten schwarzen Haare aus dem Gesicht. Seine Haut war so dunkel wie gutgegerbtes Leder und ließ seine grauen Augen fast unnatürlich hell leuchten. Seine Züge waren scharf und markant, wenn auch nicht gerade attraktiv, denn seine Nase war so schmal, dass er wild und leicht gemein wirkte. Er war auch dünn; sehnig wie ein ausgemergeltes Raubtier. Auf seinem linken Oberarm prangte eine schwarze Tätowierung, ein Tribal, aber keins von den Indianerstämmen aus dem Umkreis. So eins hatte sie noch nie gesehen.
    »Sie wissen schon, der Job«, wiederholte er und gab ihr damit zu verstehen, dass sie ihn zu lange angestarrt hatte. »Suchen Sie immer noch nach einem Hilfsarbeiter?«
    »Kennen Sie sich mit Pferden aus? Wir wollen niemanden ausbilden.«
    »Ich hab auf der Poe Ranch in Texas gearbeitet. Das ist der größte Betrieb im Hill Country. Außerdem mach ich seit gut zehn Jahren Team-Roping.«
    »Schon mal einen Hammer in der Hand gehabt?«
    »Ich kann Sachen reparieren, wenn Sie das meinen. Außerdem bin ich zur Hälfte weiß. Vielleicht hilft Ihnen das bei Ihrer Entscheidung.«
    »Das ist mir eigentlich egal.«
    »Das ist wohl unter Ihrem Niveau, was?«
    Sie hatte den Eindruck, er wolle sich über sie lustig machen, aber seine Miene blieb unbewegt.
    »Reiten Sie Rodeos?«
    »Nicht mehr.«
    Sie wusste, ihr Vater würde diesen Mann – einen Indianer! – nicht einstellen und auch nicht billigen, aber sie schaltete jetzt seit über einem Monat Anzeigen, und am Samstag sollte schon der erste Roping-Jackpot stattfinden. Sie mussten jemanden finden, und zwar schnell.
    Sie streifte ihre teuren blauen Pumps ab und stieg in Vivi Anns überdimensionale Gummistiefel, die immer an der Tür standen. »Kommen Sie mal mit.«
    Sie hörte, wie er ihr langsam folgte und seine alten, abgetragenen Stiefel auf dem Schotter knirschten. Sie wollte sich nicht ihr Unbehagen eingestehen; es war eine unangenehme Nebenwirkung der Umgebung, in der sie aufgewachsen war, der sie nicht erliegen wollte. Sie hatte es nicht nötig, Menschen nach ihrer Hautfarbe zu beurteilen. »Hier ist der Reitstall, mit Arena und Boxen«, erklärte sie überflüssigerweise, da sie direkt davorstanden.
    Er stellte sich neben sie und sagte nichts.
    An der Box direkt links von ihnen befand sich ein großes weißes Poster voller Zeichnungen, Fotos und Plaketten. In runder, verschnörkelter Schrift stand darauf: Hi! Ich bin Lizzie Michaelians Pferd Magic. Wir sind ein tolles Team. Wir haben auf dem letzten Reitturnier das rote Band gewonnen und außerdem die Auszeichnung für die sauberste Box bekommen. Wir können es kaum abwarten, auf dem nächsten Turnier zu reiten.
    »Tja«, sagte der Mann neben ihr, »ziemliche Kitschkacke.«
    Winona musste unwillkürlich lächeln. Sie ging weiter und zeigte ihm die Sattelkammer, den Waschstall und den Heuspeicher. Als sie alles gesehen hatten, was Stall und Arena zu bieten hatten, führte sie ihn wieder hinaus in die Sonne.
    Dort sah sie ihn direkt an. »Wie heißen Sie?«
    »Dallas. Wie die Stadt. Dallas Raintree.«
    »Sind Sie bereit, für mindestens ein Jahr zu bleiben?«
    »Klar. Warum nicht?«
    Da traf Winona ihre Entscheidung. Darum ging es schließlich. Diese Entscheidung fiel ihr zu. Wenn ihr Daddy ihn wegen seiner Hautfarbe ablehnte, war es höchste Zeit für ihn, sich zu ändern. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr hielt sie es für ihre Bürgerpflicht, ihn einzustellen. Außerdem gab es nicht gerade viele Anwärter auf diesen Job. Wenn er also eine Weile bleiben wollte, warum nicht? »Warten Sie

Weitere Kostenlose Bücher