Das Geheimnis der Schwestern
er seine eigenen Fußstapfen und ist ein weiterer Grey, den die Leute nicht vergessen werden.«
»Ich glaube, dein Vater hat noch aus einem anderen Grund gelächelt.«
»Wirklich?«
»Ich habe gestern Abend mit ihm gesprochen.«
»Und das war so lustig?«, scherzte sie und goss Champagner in die mitgebrachten Gläser.
Luke griff in seine Manteltasche und holte eine kleine Schatulle hervor. »Heirate mich, Vivi Ann«, sagte er, klappte die Schatulle auf und präsentierte ihr den Diamantring.
Es war, als wäre man von einem Ball am Kopf getroffen worden; man wusste sofort, man hätte ihn kommen sehen und sich ducken sollen. Vivi Ann suchte verzweifelt nach einer Antwort, nach irgendetwas, was sie sagen konnte. Doch sie wusste, dass nur ein Ja unter Freudentränen ihn glücklich machen würde.
»Das hat deinen Dad zum Lächeln gebracht«, sagte er.
Vivi Ann spürte, wie ihr die Tränen kamen, aber es waren nicht die richtigen, nicht die, die er verdient hatte. »Das geht mir zu schnell, Luke. Wir sind doch gerade erst zusammengekommen. Wir haben nicht mal –«
»Der Sex wird großartig sein. Das wissen wir beide, und ich respektiere, dass du warten willst, bist du bereit bist.«
»Darum geht es nicht. Es ist nur –« Sie konnte nicht mal ihren Gedanken zu Ende formulieren. Es war einfach unmöglich, ihm den Gefallen zu tun, seinen Ring anzunehmen und ihr Schicksal damit zu besiegeln. Als sie ihn anblickte, spürte sie, wie Traurigkeit in ihr aufkam. Sie hatte – albernerweise – geglaubt, wenn sie nicht mit ihm schliefe, würde ihre Beziehung sich nicht so schnell festigen, aber da hatte sie falschgelegen. Er hatte sich trotzdem in sie verliebt. »Wir kennen uns ja kaum.«
»Das stimmt doch nicht.«
»Was ist mein Lieblingseis?«
Er rückte von ihr ab und runzelte die Stirn. Offensichtlich dämmerte ihm, dass irgendwas schieflief. »Schoko-Kirsch. Dunkel und süß.«
Diese Frage stellte sie jedem Mann, der behauptete, sie zu lieben. Es war ein Test, wie gut sie sie wirklich kannten. Sie nannten immer irgendwas Exotisches, weil sie sie so sahen, aber in Wirklichkeit war sie nicht so. Die meisten Männer, mit denen sie ausging – Luke eingeschlossen –, starrten verzückt in ihr Gesicht, erklärten ihr schon nach ein paar Monaten ihre Liebe und dachten, mehr wäre nicht nötig. »Vanille«, erwiderte sie. »Tief im Innern bin ich wie schlichtes, altmodisches Vanilleeis.«
»An dir ist nichts Schlichtes«, widersprach er sanft und berührte so zärtlich ihre Wange, dass sie sich nur noch elender fühlte.
»Ich bin noch nicht bereit, Luke«, sagte sie schließlich.
Eine ganze Weile schaute er sie nur prüfend an, als sei ihr Gesicht unbekanntes Terrain, das er nun studieren müsse. Dann küsste er sie.
»Dann warte ich«, versprach er.
»Aber was ist –«
»Ich werde warten«, wiederholte er und unterband jeden weiteren Protest. »Ich vertraue dir. Eines Tages bist du so weit.«
Nein, das glaube ich nicht , wollte sie sagen, brachte es aber nicht heraus.
Viel später, als sie wieder im tröstend stillen Farmhaus war, sah sie sehnsüchtig auf die geschlossene Zimmertür ihres Vaters und wünschte sich, sie hätte eine Mutter, mit der sie darüber reden könnte. Müde schleppte sie sich nach oben, machte sich bettfertig, zog die Decke von ihrem Bett und ging zum Fenster. Die Ranch erstreckte sich vor ihr in der Dunkelheit, nur hier und da erhellt von dem Mond, der genauso kraftlos wirkte, wie sie sich fühlte. Sie wusste, dass direkt hinter dem Wäldchen Lukes Land lag, und fragte sich plötzlich, ob das etwas zu bedeuten hatte. Natürlich nicht, was es für ihren Vater bedeutete; sondern auf einer tieferen, wichtigeren Ebene, als etwas Verbindendes: Man war vor demselben Hintergrund aufgewachsen, kannte dieselben Leute und hatte dieselben Ziele. Natürlich konnte eine Grundstücksgrenze etwas Trennendes sein; aber war es nicht auch etwas Gemeinsames?
Sie wandte sich vom Fenster ab, kletterte ins Bett und bemühte sich vergeblich, nicht immer wieder an seinen Heiratsantrag zu denken.
Wenn sie nur jemanden gehabt hätte, mit dem sie über ihre Gefühle hätte reden können. Natürlich waren da ihre Schwestern, aber irgendwie hatte sie Angst vor dem, was sie sagen würden. Was, wenn sie geduldig zuhörten, dann den Kopf schüttelten und sagten: »Werde erwachsen, Vivi. Er ist ein guter Mann«?
Sollte sie sich damit zufriedengeben? War es so falsch, von Leidenschaft zu träumen? Auf etwas
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