Das Geheimnis der Schwestern
– auf mehr – zu hoffen? Sie hatte sich immer vorgestellt, die Liebe würde sie wie ein Blitz treffen, heftig und gefährlich; sie würde ihr den Boden unter den Füßen wegziehen, sie in Stücke zerreißen und zu einem ganz neuen Menschen formen, der sie sonst nie hätte sein können.
War es dumm von ihr, daran zu glauben?
Winona fühlte sich, als würde sie, ganz langsam, innerlich verderben – wie eine Tomate, die zu lange am Strauch blieb. In den letzten Tagen hatte sie Lisa angeschrien, einen Klienten verloren und fünf Pfund zugenommen. Sie konnte nicht anders, konnte sich nicht beherrschen. Die ganze Zeit wartete sie darauf, dass Vivi Ann sie anrief und ihr die große Neuigkeit ihrer Verlobung mitteilte.
Sie wollte glauben, dass Vivi Ann ihn auslachte und seinen lächerlichen Antrag zurückwies. Ihre kleine Schwester war weiß Gott noch nicht bereit, sich zu binden, aber Luke Connelly war der beste Fang in der ganzen Stadt, und Vivi Ann hatte schon immer das Beste bekommen.
Dienstagnachmittag war Winona nur noch ein einziges Wrack. Ihre Eifersucht wuchs ununterbrochen und drückte ihr langsam die Luft ab. Manchmal, wenn sie daran dachte, was Vivi Ann ihr alles gestohlen hatte, glaubte sie zu ersticken.
Gerade als sie dachte, es könne nicht mehr schlimmer werden, meldete sich Lisa über die Gegensprechanlage und sagte: »Hey, Winona. Ihr Vater ist auf Leitung eins.«
»Dad?«
Sie versuchte sich zu erinnern, wann er sie das letzte Mal auf der Arbeit angerufen hatte, doch es wollte ihr nicht gelingen. »Danke, Lisa.« Sie nahm den Hörer und meldete sich.
»Travis, dieser Idiot, ist weg«, unterbrach er ihre Begrüßung. »Er ist ohne Vorwarnung auf und davon, und das Cottage sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.«
»Ist das nicht Vivi Anns Problem? Ich bin doch keine Putzfrau.«
»Erspar dir die Klugscheißerei. Hast du nicht gesagt, du würdest jemanden für uns einstellen?«
»Ich arbeite dran. Ich habe ein paar Vorstellungsgespräche.«
»Vorstellungsgespräche? Was soll das, wir sind doch nicht IBM ! Wir brauchen nur jemanden, der sich mit Pferden auskennt und harte Arbeit nicht scheut.«
»Nein, ihr braucht jemanden mit diesen Qualitäten, der verspricht, den ganzen Sommer bei euch zu bleiben. Und so jemanden zu finden ist gar nicht leicht.« Das hatte sie schmerzlich erkennen müssen. Der Sommer war Rodeosaison, und keiner der Männer, die sich auf ihre Anzeigen gemeldet hatten, wollte sich längerfristig verpflichten. Die meisten waren arbeitslos, aber Cowboys waren auf ihre Art romantisch und hingen an ihrer Lebensart. Daher meinten sie alle, sie müssten nur den Rodeos folgen und würden damit ihr Glück machen.
»Willst du damit sagen, du schaffst das nicht? Na, das hättest du uns weiß Gott früher sagen sollen.«
»Ich schaffe es«, unterbrach sie ihn scharf.
»Gut.«
Er legte so schnell auf, dass sie vom Leerzeichen überrascht wurde. »Schön, mit dir zu reden, Dad«, murmelte sie und legte auf. »Lisa«, sagte sie dann in die Gegensprechanlage, »ich möchte, dass Sie sich heute und morgen freinehmen und in allen Futtermittelläden von Shelton, Belfair, Port Orchard, Fife und Tacoma Flyer mit unserer Stellenanzeige auslegen. Außerdem will ich die Anzahl der Zeitungsanzeigen im Umkreis Olympia bis Longview verdoppeln. Geht das?«
»Das nenne ich nicht gerade ›freinehmen ‹ «, erwiderte Lisa lachend. »Aber ich übernehme das. Tom arbeitet diese Woche in der Mittagsschicht.«
Winona merkte, wie herrisch sie geklungen hatte. »Tut mir leid, wenn ich mich komisch angehört habe.«
Sie verschränkte die Arme auf dem Schreibtisch und legte den Kopf darauf. Sie spürte bereits, wie es hinter ihrem rechten Augenlid schmerzhaft zu pochen begann.
Sie merkte kaum, wie die Zeit verging, während sie so mit dem Kopf in den Armen verborgen dasaß und sich vorstellte, wie ihr Leben sich verändern würde.
Sie hat Schluss gemacht, Win …
Natürlich, Luke, komm her. Ich kümmere mich um dich …
Weil sie in ihre vertraute Lieblingsfantasie versunken war, merkte sie erst mit Verzögerung, dass jemand mit ihr sprach. Langsam hob sie den Kopf und öffnete die Augen.
Vor ihr stand Aurora und musterte sie prüfend. »Hör auf, von Luke zu träumen. Du kommst jetzt mit.«
»Er wird Vivi einen Antrag machen«, sagte sie leise, weil ihr sogar die Kraft fehlte, lauter zu sprechen.
Auroras Gesicht verzog sich vor Mitleid. »Oh.«
»Hast du irgendeinen gutgemeinten Rat
Weitere Kostenlose Bücher