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Das Geheimnis der sieben Palmen

Das Geheimnis der sieben Palmen

Titel: Das Geheimnis der sieben Palmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Würde.
    »Wo ist Phil?!« schrie Evelyn ihn an.
    »Er wird erscheinen, um sein Urteil in Empfang zu nehmen.« Sempa machte eine weite, wie alles umgreifende Armbewegung. »Das ganze Volk wird das Urteil sprechen. Es fiebert nach Gerechtigkeit.«
    Sie sprang auf und hämmerte mit ihren kleinen Fäusten auf den Tisch. »Ari!« schrie sie hell. »Ari! Hör mich an! Hör mir genau zu! Du bist Ari Sempa! Du bist kein Inka-Herrscher – du bist Ari Sem pa !«
    »Wir werden auch dich der Sonne opfern müssen, schönes Mädchen«, sagte Sempa tonlos. »Wie kannst du Topas Madzu widersprechen …«
    Ein kalter Schauer rann Evelyn über den Rücken. Vor ein paar Tagen war es gewesen: Sempa und Phil hatten hier am Tisch gesessen und aus purem Gold getriebene Teller begutachtet, in die Szenenbilder aus dem Leben eines Inkakönigs gehämmert waren. Phantastische Darstellungen voller Prunk und Erhabenheit. Überall aber kehrte ein Motiv wieder: die völlige Unterwerfung des Menschen unter den Willen des Gottkönigs. Demütig lag das Volk vor ihm im Staub. Um den Inka-Herrscher herum standen nur die Priester, mit goldenen Opferschalen in ihren Händen.
    »Einer dieser Könige soll Topas Madzu geheißen haben«, hatte Phil zu Sempa gesagt. »Ich weiß es nicht mehr genau – aber so ähnlich klang es. Vor langer Zeit habe ich das mal gelesen. Während seines Königtums soll dieser Topas Madzu hunderttausend Sklaven beim Bau seiner Felsenfestungen verbraucht haben. Für zwei Jahre kam danach eine Trockenperiode über das Inkareich. Kaum ein Tropfen Regen. Hekatomben von Opfern hat man gebracht, um die zürnenden Götter zu versöhnen. Und zum erstenmal in der Geschichte der Inkas auch Menschenopfer! Aber nur unter der Herrschaft dieses sagenhaften Topas Madzu.«
    Und Sempa hatte, auf den Teller mit der grausamen Darstellung starrend, geantwortet: »Hat man so etwas schon mal im Bild gesehen?«
    »Meines Wissens nicht. Wir sind die ersten und die einzigen, die aus dieser Zeit ein Bilddokument haben. Bisher war alles nur Vermutung.«
    »Dann sind diese Teller hier Millionen wert, was?«
    »Für die Forschung unbezahlbar!«
    Topas Madzu.
    Der erste und letzte Inka-König, der den Göttern Menschen opferte.
    An dieses Gespräch erinnerte sich Evelyn, während sie Sempa anstarrte. Seine Augen glänzten unnatürlich; er betrachtete zum erstenmal eingehend seine aufgeschnittenen Hände und schien sich am Anblick des Blutes zu berauschen.
    »Gericht!« sagte er dumpf. »Ihr seid in mein Reich eingedrungen, um es durch Schweigen zu vernichten! Ihr werdet das Schweigen lernen.«
    Hoheitsvoll nickte er Evelyn zu und wollte gehen. Da sprang sie vor, stellte sich ihm mutig in den Weg und schrie ihn wieder an: »Du bist Ari Sempa! Hörst du?! Sempa!« Aber er stieß sie zur Seite, sie stolperte, prallte mit dem Kopf gegen einen Felsvorsprung und verlor die Besinnung.
    Mit hocherhobenem Haupt ging Sempa weiter. Diesmal hob er Evelyn nicht auf, trug sie nicht in die Höhle zurück. Als er an den sieben Palmen und den goldenen Götterfiguren vorbeikam, grüßte er hoheitsvoll, lächelte nach allen Seiten und winkte, als bilde sein Volk Spalier und jubele ihm zu. Ein paarmal blieb er stehen, hob dankbar und wie segnend die Hand über sein Reich und schritt danach mit großer Würde weiter bis zum Kraterrand. Dort kehrte er um, kam zurück und betrachtete mit blanken, irren Augen den unermeßlichen Schatz auf dem Felsboden.
    Sein Schatz!
    Der ganze Reichtum des vom Geheimnis umwitterten Königs Topas Madzu.
    Eine Stunde später erschien Sempa wieder in der Höhle bei Hassler. Phil erschrak. Er erkannte Ari nicht sofort. Was da hereinwehte, sah aus wie ein Riesenvogel – bizarre Gestalt aus einer anderen Welt. Erst, als Sempa ihm die Fußfesseln abgenommen, die Schlinge um seinen Hals gelegt und ihn wie einen Tanzbären am langen Strick aus der Höhle gezogen hatte, fragte er: »Ari, bist du verrückt geworden?!«
    Im vollen Sonnenlicht sah er es jetzt deutlich. Sempa trug das Königsgewand der Inkas: den weiten Federmantel mit goldenen Ketten, den hohen, aus Gold, Edelsteinen und besonders wertvollen Federn gestalteten Kopfputz, der schnabelartig bis weit über die Stirn ragte und das Gesicht in einen Vogelkopf verwandelte. Sempas breite Brust war, einer Rüstung gleich, mit gehämmerten, massiven Goldplatten bedeckt, die mit Schnüren aus gegerbter Menschenhaut zusammengehalten wurden. Die zierlichen Schuhe des Inkakönigs hatten Sempa natürlich

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