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Das Geheimnis der sieben Palmen

Das Geheimnis der sieben Palmen

Titel: Das Geheimnis der sieben Palmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schrei gehört, gegen den der unvergeßlich grausige Todesschrei eines Pferdes wie Gelächter klingt?
    Nur Sempa war zu einem solchen Ausbruch fähig.
    Er war zu den sieben Palmen zurückgekehrt, und wie jeden Morgen, wenn er von Phils Frühstück kam, hob er die rechte Hand an die Stirn und grüßte seine goldene Armee mit: »Morgen, Männer!« Er wartete, bis in seinem Inneren die Antwort des Heeres verklungen war – »Guten Morgen, Herr Präsident!« –, dann wandte er sich ab und trat an den Abhang. Vom hohen Felsen blickte er hinunter in die Bucht, um sich am Anblick der weißen schlanken Schönheit seiner Yacht zu erfreuen, des Schiffes, das ihn, um hundert Millionen Doller reicher, in ein herrliches freies Leben tragen sollte.
    Jeden Morgen exerzierte er das gleiche Zeremoniell durch. Auch heute dehnte er sich wohlig, bot der Sonne seine breite, behaarte Brust dar, trat an den Abhang, blickte hinunter in die Bucht, breitete die Arme aus – und erstarrte.
    Von seiner schönen weißen Yacht ragte nur noch der obere offene Steuerstand aus dem Wasser. Alles andere war im Meer versunken, hatte sich in den sandigen, mit nadelspitzen Felszacken gespickten Grund der Bucht gebohrt. Luftblasen und Strudel gurgelten noch um das Oberdeck, dessen Dach man deutlich unter der klaren Wasseroberfläche erkannte. Kein Zweifel: Vor wenigen Minuten erst war das Schiff gesunken.
    Das war der Augenblick, in dem Sempa diesen Schrei ausstieß – einen Schrei, wie ihn wohl noch kein Mensch gehört haben mochte. Unten am Strand stand Evelyn, nackt, eben erst aus dem Wasser gestiegen: ein in der Sonne glitzernder Körper, an dem die Nässe abperlte, als rollten aus seinen Poren winzige funkelnde Edelsteine.
    Als der fürchterliche Schrei ertönte, wandte sie sich um und blickte hinauf zu den sieben Palmen. Mit beiden Armen winkte sie in ausgelassener Fröhlichkeit, zeigte lachend auf das versunkene Schiff und begann sich im Kreis zu drehen und mit zierlichen Schritten über den aufstaubenden Ufersand zu tanzen.
    Sempa taumelte, lehnte sich an einen Palmenstamm und starrte auf sie hinunter. In seinem Kopf regierte das Chaos. Das Blut rauschte so stark in seinen Schläfen, daß er kein Windgeräusch mehr wahrnahm, kein Kreischen der Möwen, nicht den Flügelschlag des Albatrosschwarms, der gerade über ihn hinwegstrich. Er fühlte sich plötzlich so heiß, als brate er in einer Pfanne. Eine unbändige Lust, um sich zu schlagen, alles um sich herum zu vernichten, überwältigte ihn.
    Er brüllte noch einmal auf – dann kletterte er den von Phil und ihm mühsam in den Lavarücken geschlagenen Treppenweg hinab zur Bucht. Der wurde sonst kaum benutzt, weil er zu steil, und als Folge der Luftfeuchtigkeit, zu glatt war. Sie hatten mit der Anlage dieses Weges viel Arbeitskraft vergeudet, was sie sich beide nach Beendigung des Werkes hatten eingestehen müssen. Aber in diesem Augenblick war für Sempa nichts zu steil und zu glatt; mit unglaublicher Schnelligkeit kletterte er die Felswand hinunter und sprang wie ein riesiges Tier in den Sand. Mit ausgebreiteten Armen rannte er zum Meer, warf sich ins Wasser, watete zu seinem vernichteten Schiff, schwamm das letzte Stück und zog sich hoch am Aufbau des oberen Steuerstandes. Er setzte sich hinter das nach Backbord abgesenkte Steuerrad und umklammerte es. Er meinte ein seltsames Knacken in seinem Hirn zu spüren, und die wahnwitzige Lust, alles zu zerstören, überspülte ihn wie eine heiße Woge. Mit einem wolfsähnlichen Geheul riß er das Steuerrad aus der Halterung und warf es über Bord. Er lehnte sich gegen die Wand des Ruderstandes und zerhieb mit drei gewaltigen Faustschlägen den Polstersitz, das Armaturenbrett, die Schaltungen, die elektrischen Anlagen. Glas zerschnitt seine Fäuste, aus mehreren Wunden rann das Blut über seine Arme – er spürte nichts, er war durch das Knacken in seinem Hirn gegen den Schmerz unempfindlich geworden. Es wußte kaum noch, wo er sich befand, er lebte nur noch in einer Welt von Wasser, die sein Schiff umgurgelte, in einem unendlichen Raum voll zertrümmerter Instrumente, herausgerissener Drähte, in einem aufgeplatzten Leib, aus dem die Innereien hervorquollen und ihn wie widerliche Krakenarme umschlangen.
    Endlich hockte er eine Weile bewegungslos im zerfetzten Steuerstand, stürzte sich dann rücklings ins Wasser und schwamm und watete zum Ufer. Der Weg bis zur Bucht ernüchterte ihn etwas. Evelyn hatte sich unterdessen angezogen – in ihren alten

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