Das Geheimnis der sieben Palmen
gerettet!«
»Du hast mir Phil weggenommen! Als Geisel! Was nützt er dir jetzt? Was bedeutet dein Gold ohne dein Schiff? Ari, gib Phil heraus! Sag, wo du ihn versteckt hast.«
»Ich bringe dich um, du verdammtes Frauenzimmer. Mit diesen Händen bringe ich dich um …«, stammelte er.
»Und Phil auch?«
»Ihn auch!« brüllte Sempa. »Ihn zuerst! Vor deinen Augen! Jede Sekunde seines Sterbens sollst du erleben!«
Sie nickte. »Dann bist du ganz allein auf der Insel«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Ob drüben auf dem Festland oder hier: Das Urteil über dich wird immer das gleiche sein: lebenslänglich! An Land hängen sie dich vielleicht sogar auf, auch wenn du ihnen glaubwürdig erzählen könntest, wir seien an einer Krankheit gestorben. Aber niemals kannst du beweisen, daß du damals den englischen Forscher mit den Inkaplänen nicht umgebracht hast. Du hast den Schatz – du bist der Mörder.«
»Es war Gilberto!« schrie Sempa. »Du weißt es!«
»Beweise! Gilberto liegt dort drüben neben James unter einem Kreuz. Und ich? Ich bin doch auch nicht mehr da. Der große Sempa hat doch alles vernichtet!« Sie streckte ihm mit einer geradezu rührend wirkenden Drohgebärde das lange Küchenmesser entgegen. »Wo ist Phil?!«
»Du wirst ihn nie wiedersehen! Ich hab' mir's überlegt. Irgendwo wird er verschimmeln! Aber mit mir wirst du zusammenleben müssen … ha, wird das eine Hölle sein!« Sempa drehte sich zum Meer. Der Anblick seines gesunkenen Schiffes, des von der aufkommenden Morgenluft umspülten, aus dem Wasser ragenden, zerfetzten Steuerstands, trieb ihm Tränen in die Augen. Er weinte, er schluchzte laut. Es wäre für Evelyn leicht gewesen, ihm jetzt die lange Klinge mit beiden Händen und aller Kraft von hinten ins Herz zu stoßen.
Bei allem Haß, bei aller Verzweiflung, bei aller Angst, auch angesichts dessen, was nun noch auf sie zukommen würde – es war Evelyn unmöglich, einen Menschen zu töten.
»Mein Schiff …«, jammerte Sempa mit von Tränen erstickter Stimme. »Mein schönes Schiff. Meine Zukunft!«
»Wo ist Phil?!« schrie Evelyn.
Er zuckte mit den Schultern, ging schleppenden Schrittes hinüber zu den sieben Palmen, setzte sich zwischen seine goldenen Götterfiguren, zog Yuma zwischen seine gespreizten Beine und ließ keinen Blick von dem Steuerstand. Die ersten größeren Flutwellen klatschten jetzt über ihn und begruben ihn unter weißlichem Schaum.
Auf den Klippen sitzt mein schönes Schiff, dachte Sempa und schluchzte wieder. Der ganze Boden ist aufgerissen. Hundert Millionen Dollar hat man in der Hand – und muß doch so primitiv hausen wie am Anfang der Welt. Und das verdammte Weib hat auch noch recht! Selbst wenn ich Don Fernando um Hilfe riefe: »Holt mich ab! Ich will zurück ins Leben! Ihr könnt alles Gold, alle Edelsteine haben … Ich will nichts als zurück nach Amerika und von vorn anfangen – mit Vierzig kann man das noch!« – selbst wenn sie kämen und mich abholten – mit meinem Schatz oder ohne ihn: Drüben an Land hängen sie mich auf!
Fast eine Stunde saßen sie stumm herum. Evelyn an dem roh gezimmerten Tisch, das lange Küchenmesser griffbereit vor sich, Sempa zwischen seinen goldenen Götterfiguren, Yuma ab und zu streichelnd, aufs Meer starrend und sich nach einiger Zeit wie ein Kind wundernd.
Um ihn herum veränderte sich die Welt langsam zu einer märchenhaften Landschaft.
Die goldenen Figuren, zwischen denen er saß, füllten sich in seinen Augen mit wirklichem Leben. Die Sonnenreflexe auf den metallenen Häuten wirkten wie Bewegungen. Licht und Schatten wechselten in einem lebendigen Rhythmus. Die toten, meist aus Saphiren bestehenden Augen blickten ausdrucksvoll.
Die Welt der Inkas entstand neu.
Sempa atmete röchelnd auf und nickte mehrmals.
»Meine Herren Minister«, sagte er mit seltsam hohler Stimme, »Sie haben vollkommen recht. Als König bin ich verpflichtet, ein Urteil zu fällen. Wir werden es mit der Würde tun, die unser Volk und vor allem die Götter von uns erwarten. Ich rufe Sie in zwei Stunden wieder zur Beratung zusammen.«
Er stemmte sich zwischen den Figuren hoch, küßte Yuma auf den Mund und trottete aus dem Kreis der sieben Palmen heraus zu Evelyn zurück. Als sie seine Augen sah, wußte sie: Wenn man Wahnsinn wie eine Fahne vor sich hertragen kann – Sempa tat es jetzt! Er blieb vor Evelyn stehen und hob die blutverschmierte rechte Hand.
»In zwei Stunden ist Gericht!« sagte er mit wahrhaft königlicher
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