Das Geheimnis der sieben Palmen
unerforscht war, der begriff, daß sein Leben nur noch auf ein Ziel gerichtet war: auf das Überleben!
Was Phil Hassler nicht erwähnte, war der kleine Außenbordmotor in der Vorrats- und Materialhöhle, das massive Kunststoffboot, die Fässer voll Benzin und Maschinenöl, die Notraketen – und der Schwur des Don Fernando beim Abschied vom Kanonenboot:
»Man soll Verrückte nicht stören, Señor Hassler. Aber ob Sie es wollen oder nicht: Auf meinen Patrouillenfahrten schaue ich ab und zu bei Ihnen vorbei. Es kann bis zum nächsten Mal ein paar Monate dauern, aber ich komme garantiert, auch wenn Sie nicht funken!«
Ein paar Monate! Allein mit dieser Frau auf einer kleinen Insel …
Phil Hassler blieb auf der Bank sitzen. Er sah Evelyn zu, wie sie in hilfloser Verzweiflung hin und her rannte, das zerstörte Funkgerät betrachtete, sich dann hinhockte und wie ein schuldbewußtes Kind versuchte, die zerrissenen Drähte aneinanderzuhalten. Dann kam sie zurück zur Bank, das Handtuch an ihren Leib gepreßt.
»Wie können Sie nur so ruhig sein? So teuflisch ruhig?!« schrie sie.
»Hat es Sinn, herumzutoben? Kleben Flüche die Bruchstücke wieder zusammen?«
»Versuchen Sie doch wenigstens etwas!«
»Das werde ich auch, verehrte Miß Ball. Aber das eilt nicht. Ich weiß sowieso, daß es mir nicht gelingen wird. Sie haben sich auf dem Funkgerät herumgewälzt, als badeten Sie in Champagner! Sie werden lange Zeit auf Ihre Liebhaber verzichten müssen. Mich lassen Sie jetzt mal ganz in Ruhe. Auch ich muß mich daran gewöhnen, außerhalb der Welt zu sein. Das heißt: Wir haben ein Radio. Hören können wir die Welt noch – aber leben werden wir nie mehr in ihr.«
»Sie wollten das ja so haben! Deshalb sind Sie doch geflüchtet!«
»Ich ja. Ich bin ja auch ganz ruhig. Aber Sie? Sie werden lernen müssen, wilde Kühe und Ziegen zu melken, Schweine zu schlachten …«
»Nie! Nie! Nie!«
Sie ließ Phil sitzen und rannte in die Wohnhöhle. Er hörte, wie sie dort mit Gegenständen um sich warf und rumorte. Als sie zurück in die helle Sonne kam, trug sie ein anderes, engeres Hemd und wieder ihre zerrissenen, schmutzigen, weißen Jeans. Sie hatte sich gekämmt und – tatsächlich! – die Lippen nachgezogen. Es war eine blutrote Farbe, aufreizend, aggressiv, plakativ: Sieh her! Hier ist mein Mund! Und was ein Frauenmund alles machen kann …
»Sehr schön!« sagte Phil ruhig. Er hatte Zeit genug gehabt, über alles, was nun folgen konnte, nachzudenken. »Sehr attraktiv. Mein Hemd steht Ihnen gut.«
»Es war das engste, was ich finden konnte.«
»Stimmt. Ich kriege es kaum noch zu über meinem Bauch. Ich bin fett geworden in dieser Einsamkeit. Ziegenmilch, Käse, Schweinebraten und Bohnen aus der Dose … Ich habe mehr gegessen als sonst. Das Einsamkeitssyndrom! Obwohl ich wie sechs Ochsen gearbeitet habe – ich habe zugenommen! Sehen Sie mein Bäuchlein?«
»Ihre Arroganz ist widerlich! Sie wissen genau, daß Sie eine verdammt gute Figur haben. Wie ein Sportler, ein Zehnkämpfer.«
»Erfahrung, Miß Ball? War einer Ihrer Liebhaber Athlet?!«
»Bei nächster Gelegenheit schlage ich Ihnen einen Hammer über den Kopf. Ich habe einen neben dem Herd gesehen.« Sie setzte sich neben ihn auf die Bank, preßte die Beine zusammen, als habe sie Angst, er könnte zwischen ihre Knie greifen, und starrte über die drei wie Drachenrücken aus dem Meer ragenden Lavabarrieren, gegen die der Ozean mit hohen Gischtwolken andonnerte. Es war Flut.
»Da bin ich durchgekommen?« fragte sie mit ganz kleiner Stimme.
»Wie Sie sehen. Es ist ein Wunder. Wirklich unglaublich.«
»Und Sie werden das Funkgerät nie mehr reparieren können?«
»Es ist aussichtslos. Außerdem bin ich in radiotechnischen Dingen ein Rindvieh. Ich war immer voll grenzenloser Bewunderung, wenn jemand an einem Knopf drehte und auf dem Bildschirm erschien in Farbe ein reitender Cowboy. Mit Ton! Für einen Fernsehtechniker ist das alles nur ein Klacks, sind es Schaltvorgänge. Aber für mich ist es unbegreiflich. Wie kann man von mir erwarten, daß ich so etwas repariere?«
»Ich habe Hunger!« sagte sie plötzlich. »Wie spät ist es eigentlich?«
Er blickte auf seine Armbanduhr. »11.19 – Ortszeit. Sie haben recht, wir haben noch nicht gefrühstückt. Ich kann Ihnen frische Eier, kalten Braten, Tee und vor einer Stunde gemolkene Milch anbieten. Oder ein Omelett, gebacken auf Lavaglut? Das haben Sie noch nie gegessen! Das kann Ihnen kein Grill von New York
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