Das Geheimnis der sieben Palmen
Phil.«
»Lieber nicht.« Er ging zum Ausgang und winkte ihr von draußen noch einmal zu. »Schlafen Sie gut, Evelyn. Und keine Angst. Hier gibt es weder Diebe noch Sittenstrolche. Niemand wird Sie belästigen.«
»Phil …«
Er blieb stehen und kam noch einmal bis zum Höhleneingang zurück. »Ja?«
»Danke –«, sagte sie leise. »Sie sind wider Erwarten ein anständiger Mensch.«
»Das fällt mir auch auf!« Er lachte und verschwand in der Dunkelheit.
Irgendwann in der Nacht hatte er das Gefühl, jemand liege an seinem Rücken. Er war das gewöhnt. Ab und zu kroch ein Leguan zu ihm und schmiegte sich an ihn. Ein kleines Tier bei einem großen Tier, ohne Angst und ohne Hinterlist. Wie es im Paradies sein soll.
Phil drehte sich auf die andere Seite und drückte mit flachen Händen gegen den Leguan. Nicht zu nahe heran, Bursche! Ich bin ein Typ, der sich im Schlaf herumwälzt.
Mit einem Schlag war er hellwach. Was er berührte, war kein gehörnter Tierleib, sondern die warme, samtige Haut eines Menschen. Er spürte unter seinen Händen die Wölbungen der Brüste und die harten Spitzen der Brustwarzen. Er fuhr hoch und schlug die Wolldecke zurück. Trotz der fahlen Dunkelheit in der Höhle erkannte er, daß ihr Körper nackt war. Und jetzt rückte er noch näher an ihn heran.
»Evelyn«, sagte er heiser. Seine Stimme klang ihm selbst fremd. »Wir hatten ausgemacht, daß …«
»Ich hatte Angst allein in der Höhle, Phil …«
»Wie lange liegen Sie schon neben mir?«
»Schon lange. Sie schnarchen wirklich fürchterlich.«
»Ich hatte Sie gewarnt!«
»Aber man kann sich daran gewöhnen. Es ist so beruhigend, wenn man hört: Der Mann neben mir lebt! Er schnarcht! Er wird morgen aufwachen, und ein neuer, schöner Tag wird beginnen. Mit ihm.«
»Evelyn …« Er beugte sich über sie. Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich hinunter. Ihr glatter Körper kam ihm entgegen, ihre Wärme strömte zu ihm. »Ich will das nicht!« stammelte er. »Ich wehre mich dagegen …«
»Ich weiß … Aber es hat doch keinen Sinn. Was hast du ausgerechnet? Wir haben noch 54 Jahre vor uns …«
Er küßte sie von der Stirn bis zu den Fußsohlen, senkte sich über sie und vergaß zu denken.
Phil erwachte zuerst. Seine innere Uhr hatte sich in den Monaten auf der Insel umgestellt. Während er früher nach durchliebten Nächten frühestens um 10 Uhr unter der kalten Dusche stand, dann einige Runden im Swimming-pool drehte, an einer Stange im Becken Gymnastik trieb und die letzten Reste von Müdigkeit aus sich herausstrampelte, um sich dann in aller Ruhe an den Frühstückstisch zu setzen, den sein Butler Harry gedeckt hatte, reagierte sein Organismus jetzt auf das Erscheinen des ersten Lichtes einer noch nicht sichtbaren Sonne.
Früher saß er bei Tee, Rum, frischen Brötchen und der Morgenzeitung, das Telefon in Griffnähe, rief nach der ersten Tasse seine Abteilungsleiter und Geschäftsführer an, ließ sich das Neueste aus seinen Fabriken berichten und kam sich – da alles reibungslos wie immer abrollte – so überflüssig vor, daß sein nächster Anruf schon wieder einer Frau galt.
Ob ich lebe oder nicht, hatte er oft gedacht – es würde sich nicht viel ändern. Alles ist so perfektioniert: Die Fabriken haben ihre Direktoren, die Geschäfte ihre Geschäftsführer, die Modellabteilungen ihre Chefdesigner, die Exportabteilungen ihre bevollmächtigten Ein- und Verkäufer. Es gibt eine Finanzdirektion und eine Auslandsdirektion, und über allem steht mein Syndikus.
Ich selbst? Ich bin entbehrlich. Die Firmen tragen meinen Namen – das ist aber auch alles, was ich in den letzten beiden Jahren beigesteuert habe. Wird es jemanden geben, der mich vermissen würde, wenn ich plötzlich nicht mehr da wäre? Etwa all die Frauen, die beteuert haben, ich sei der Männlichste aller Männer?
Sie am wenigsten. Heimliche Geliebte zu sein, kann zur Profession werden. Zum Gesellschaftsspiel wie Bridge oder Rommé. Du lieber Himmel, wie hatte sich das Karussell gedreht: Wenn man in einer fröhlichen Männerrunde zusammensaß, konnte man Gift darauf nehmen, daß jeder mit jedem über seine Frau verwandt war. Viele wußten es und waren für derlei Verquickungen blind, weil die geschäftlichen Interessen sich um so besser koordinieren ließen, je mehr man vom anderen wußte. Aber es gab auch ein paar Idioten darunter, die nicht ahnten, daß ein Golfspiel ihrer Frauen oft auf einem Diwan im Clubhaus endete, oder in den
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