Das Geheimnis der sieben Palmen
›Die sieben Palmen‹ wurde langsam, in schwerster körperlicher Arbeit, Stück für Stück, neues ›Kulturland‹.
»Heute schlafen wir auf dem Schiff!« sagte Sempa, als er den Fisch verzehrt hatte. Natürlich hatte er auch die letzten grünen Nudeln noch verschlungen. Satt streckte er die Beine von sich.
»Warum denn das?«
»Die Haie!«
»Sei beruhigt, Ari, wir waten voraus.«
»Und von hinten kommt einer und greift sich den Letzten. Mich! Wir bleiben hier!«
»Und Yuma?« Phil wagte sich auf ein gefährliches Gebiet. »Soll sie heute nacht allein bleiben?«
»Ja! Sie darf sich mal ausschlafen. Junge, gönn ihr doch eine ruhige Nacht.«
Phil verzichtete auf weitere Diskussionen über dieses Thema und erhob sich. Er stieg an Deck und setzte sich vor das Ruderhaus. Der Wind kam vom Meer, doch hier, am Aufgang zur Brücke, war es fast windstill. Nach kurzer Zeit kam Evelyn zu ihm und kniete sich neben ihn.
»Was macht er?« fragte Phil.
»Er ist schon in seine Koje gegangen.«
»Irgend etwas hat er vor. Wir müssen abwechselnd Wache halten, Eve.«
»Er wird nie mehr etwas ohne Yuma unternehmen! Und die ist drüben, bis morgen früh unerreichbar für ihn! Ich glaube fast, Yuma ist unser bester Schutz.«
»Bis die Stunde kommt, in der er sie nicht mehr erkennt.«
»Laß uns flüchten, Phil.« Sie legte den Kopf in seine Halsbeuge und weinte plötzlich. »Ich habe Angst. Es wird täglich schlimmer. Laß uns in einer der nächsten Nächte wegfahren.«
»Es geht nicht, Eve.« Er umfaßte sie, zog sie eng an sich und starrte an ihrem Kopf vorbei über das fast schwarze Meer. Sie hat ja recht, dachte er. Niemand wird es uns anlasten, daß wir vor einem Irren geflohen sind. Aber er sagte: »Wir können Ari nicht allein lassen. Denk daran, was ich dir vor ein paar Wochen gesagt habe: Welche Hilfe wir auch immer anrufen – du gerätst in einen Strudel hinein. Du bist mit Sempa, McLaudon und Gilberto zusammen gewesen, und zwei von ihnen waren Mörder. Du bist mit ihnen herumgezogen und hast Teile des geraubten Schatzes verkauft, damit ihr dieses Schiff übernehmen konntet. Du bist mit ihnen geflüchtet, als die Polizei ihre Spur entdeckte.«
»Von den Morden wußte ich nichts«, schluchzte sie.
»Das mach einmal einem ecuadorischen Untersuchungsrichter klar! Und selbst wenn er die Morde streicht: Der Schatz bleibt übrig. Von dem wußtest du alles! Reicht das nicht für ein paar Jahre?« Er legte beide Arme um sie, als seien es Klammern, die sie auf immer mit ihm verbanden. »Aber ich gebe dich nicht mehr her, Eve. Nicht für ein paar Jahre, nicht für einen Monat, nicht für einen Tag! Die besten Anwälte könnten dir nicht helfen!«
»Das heißt: Wir müssen auf der Insel bleiben.«
Er nickte. Sie haben recht, Dr. Hardtmann, dachte er. Aus Liebe bleibt sie auf ›Sieben Palmen‹ – und doch sträubt sich alles in ihr gegen diese Einsamkeit. Ich bin ein höllischer Egoist! Ich benutze ihre unbegreifliche Liebe als Alibi.
»Wir können nur abwarten, was aus Sempa wird«, sagte er heiser. »Und wir müssen stärker sein als er.«
»Das schaffen wir nie, Phil. Nie!«
»Das sagen wir uns immer wieder, seit Ari auf der Insel ist. Und doch: Haben wir nicht schon viel erreicht? Gegen Sempa – und mit ihm! Nächste Woche setzen wir die ersten Kartoffeln in das neue Feld! Fünf Rinder sind schon so zahm wie Hauskühe. Wir haben so viel Land gerodet, daß wir nie mehr hungern werden, auch wenn uns alle vergessen sollten. Vor jeder Arbeit hat Sempa gebrüllt und sich geweigert, und dann hat er geschuftet wie drei Elefanten. Letzten Endes waren wir immer die Stärkeren!« Er küßte sie, drückte sie wieder an sich und blickte über die schwarze, kaum bewegte See. Es war der Übergang von der Ebbe zur Flut. Einen Augenblick ruhte sich das Meer aus, holte Atem, sammelte Kraft für das neue Anrollen gegen die Küsten.
»Ich liebe dich«, sagte er leise. »Das klingt jetzt dumm – aber ich habe keine andere Entschuldigung: Ich liebe dich.«
In der siebzehnten Woche kam der Tag, an dem Evelyn das Bett nicht verließ. Sempa und Phil hatten sich gemeinsam an der ›Wassermühle‹ geduscht und liefen nun im warmen Wind zwischen der kleinen goldenen Götter-Armee herum, ließen sich von der Sonne trocknen und freuten sich auf das Frühstück. Wie immer würde Evelyn bei ihrer Rückkehr den Tisch gedeckt haben, es würde nach gebratenen Eiern riechen, nach Speck und Schinken. Meistens war sie die erste, die leise
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