Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
und hier wohnen.«
»Ich werde mich nicht wie Sidonia von dir beherrschen lassen, Vater.«
»Sidonia ist gern bei mir!«
Ein kurzes Schweigen folgte. Lunetta hatte genug gehört, ihre Neugier war befriedigt. Ein Zwist zwischen Vater und Sohn ging sie nichts an. Sie wollte sich von der Tür fortstehlen, als Claas van Bercks Gast antwortete.
»Und ihr Mann? Lebt Gabriel auch gern unter diesem Dach? Ein in Spanien angeklagter Ketzer? Haben deine Reliquien ihn geläutert, oder macht ihn die Liebe zahnlos und schwach?«
Mit klopfendem Herzen blieb Lunetta stehen. Wie wagte es der Kerl, so über Sidonia und Gabriel zu reden! Sie musste die Erwiderung van Bercks hören. Doch wieder nahm das Gespräch eine andere Wendung.
»Weich mir nicht aus, Lambert. Warum willst du ein eigenes Haus? Willst du heimliche Konventikel abhalten?« Seine nächsten Sätze gingen in bellendem Husten unter, pfeifend rang der Kaufherr nach Luft.
Als er verstummte, schien sein Sohn von aller Scherzlust befreit. »Alle Glaubenskämpfer sind mir gleich zuwider.« Ohne Begeisterung setzte er hinzu: »Beruhige dich, ich werde hier schlafen, bis ich ein eigenes Haus gefunden habe.«
»Aber wozu denn überhaupt ein eigenes Haus?«, jammerte der Vater.
Sein Sohn seufzte. »Sagen wir einfach, ich brauche ein Haus, um eine Familie zu gründen.« Lunetta vermeinte durch das Holz die ehrliche Verblüffung Claas van Bercks zu spüren. Und dann folgte ein rollendes Lachen, dessen Herzlichkeit sie selbst verblüffte.
»Oh, mein Sohn, mein Sohn, mein Sohn! Wie wundervoll! Da hast du mich aber mächtig aufs Eis geführt… Nun ja, ein Scherz ist erlaubt so kurz vor Karneval! Wenn auch nicht mit der Religion.«
Lambert stimmte freudlos in das Gelächter ein. »Setzen die Kölner Klosterbrüder zu Fastnacht nicht ihren Abt verkehrt herum auf einen Esel? Und backen die Klosterschwestern etwa keine Nonnenfürze mehr?«
»Fürwahr«, kicherte Claas van Berck. »Sie produzieren die besten und saftigsten Nonnenfürze der Welt, da kommen nicht einmal Tringins Krapfen mit. Aber genug gespaßt. Lass uns endlich über deine Heirat und die Braut sprechen, Lambert.«
»Weiß sie schon, dass sie es ist?«
»Hauptsache, du weißt es! Der Rest ist eine leichte Übung. Die Weiber haben dir immer aus der Hand gefressen.«
»Vielleicht würde ich lieber selber wählen.«
»Willst du sagen, du bist verliebt? « Claas van Bercks Stimmlage verriet Abscheu und Entsetzen.
»Nein, diesen bedauerlichen Zustand habe ich hinter mir.«
Lunetta wollte sich von der Tür lösen. Diese kalte Schacherei um Herzen war widerwärtig. Sie streckte dem jonglierenden Äffchen auf der Tür die Zunge heraus. Claas’ nächste Sätze gaben ihr recht.
»Ich wusste, dass ich auf deinen Verstand zählen kann! Den hast du von mir. Nur Frauen heiraten aus Liebe. Deine Schwester hat es getan. Dumm wie alle Weiber. Sie lassen ihr Herz sprechen und bereuen es ein Leben lang.«
Lunetta schloss kurz die Augen. Das war eine Lüge! Gabriel und Sidonia waren voll Zuneigung füreinander. Sie hatte es gestern selbst gesehen. Die verstohlenen Blicke, die heimlichen Berührungen, das stille Einverständnis. Sie waren der Beweis, dass unverbrüchliche, leidenschaftliche Liebe möglich war und nicht tragisch enden musste wie die Ehe ihrer Eltern!
Sie wandte sich ab und eilte auf die Treppe zu. Doch selbst einige Schritte von der Tür entfernt konnte sie Claas van Bercks sich vor Fröhlichkeit überschlagende Stimme noch hören: »Diese Lunetta wird nicht anders sein als der Rest der Weiber, aber ich habe ihr den Ehegatten mit kluger Voraussicht gewählt. Und ihr Vater hat mir sogar Geld geboten, damit das Mädchen möglichst lange bei uns bleibt.«
Lunetta gefror in der Bewegung, griff nach dem hölzernen Geländer. Im Kontor erhob der Sohn des Hauses die Stimme.
»Vergiss es, Vater. Eine Löwenstein kann mich nicht reizen.« Es war, als spucke dieser Lambert ihren Namen aus.
»Sie ist eine von Löwenstein! Und sogar recht hübsch. Ein wenig dünn und dunkel, aber Tringin kennt wirksame Bleichmittel für Haut und Haare. Irgendwas mit saurer Milch und Katzenurin …«
»Wie anregend! Ich soll das Bett mit einem Mädchen teilen, das nach Kloake riecht? Nun ja, immerhin entstammt sie ja der Gosse.«
»Du musst ihr nur beiwohnen, bis unser Haus einen Erben hat! Danach kannst du deinen Hosenteufel jedem beliebigen Weib verehren, so wie dein Schwager Gabriel.«
Lunetta ließ das Treppengeländer los.
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