Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
zerberstendem Holz waren die Antwort. Flammen schössen in die Luft, Fassringe flogen durch dichte Rauchwolken gen Himmel, ein Regen aus brennendem Holz prasselte auf das Pflaster herab, fliegende Funken fraßen sich gierig in Heuballen, die zur Fütterung von Kutschpferden bereitlagen.
Schon wurde die Brandglocke im Turm des Gildehauses geläutet, Türen aufgerissen. Ein Rennen nach den ledernen Wassereimern und Sand setzte ein.
»Schützt das Pulverlager!«, schrie einer der Zeughauswächter.
Lambert wusste, dass die Verwirrung nur kurz andauern würde. Jeder Kaufmann war darin geschult, ein Feuer zu löschen, die Brunnen und Zisternen des Stalhofs waren gut gefüllt und die Themse nah. Jeder hatte einen festen Platz, wenn es darum ging, einen Brand zu bekämpfen. Schon bildeten die verschlafenen Kontoristen erste Löschketten.
Rasch riss er sich den Talar von den Schultern. Sein bloßes Hemd war wenig verräterisch, da die meisten im Nachtgewand umherliefen. Er löste sich aus dem Schatten des Heiligenschreins und lief direkt zum Zeughaus hinüber.
»Wo willst du hin?«, rief ihm ein wendischer Kaufmann hinterher, wartete aber nicht auf Antwort, da nun ein Stützbalken beim Gildehaus Feuer fing.
Lambert erreichte das Tor zum Zeughaus. Man hatte es entriegelt. Vorsichtig betrat er die mit Wandfackeln beleuchtete Vorhalle. Sie war leer. In den Kammern rechts von ihm wurden mit reißendem Geräusch Säcke aufgeschlitzt. Lambert wusste, dass Sand ausgeleert wurde, um Flammenbarrieren anzuhäufen. Das Plätschern von Wasser verriet, dass auch die steinernen Rinnen geflutet wurden, die das Pulverarsenal umgaben.
Er huschte an den Gängen zum Arsenal vorbei auf die Rüstkammer zu, zerrte am Riegel. Verflucht, sie war verschlossen! Rasch blickte er sich um, entdeckte das abgelegte Schwert eines Wachsoldaten, griff es sich und holte aus.
Mit voller Wucht hieb er auf die Schnappriegel ein, bis sie zersprangen, rammte mit einem Tritt die Tür auf und tauchte in den Waffensaal ein. Durch das Dunkel tastete er sich zu den Gestellen vor, in denen die Schwerter verwahrt wurden. Mit den Händen fuhr er über verschiedene Klingen, bis ihm sein gut geschultes Fingerspitzengefühl eine Meisterwaffe verriet. Ein leichter Degen mit kunstvollem Klingenkorb. Vielleicht aus dem Hause van Berck? Gleichgültig. Gewiss war er zierlich anzuschauen, aber die Stahlklinge war ein tödliches Instrument und Lambert ein besserer Degenfechter als Schwertkämpfer.
Er hastete weiter zu den Rüstungsständern, befühlte Harnische, Knie- und Schulterstücke. Schnallte sich Teile um, die leicht anzulegen waren und eher zur Jagd als zum Kampf taugten. Ihm blieb wenig Zeit. Jeden Augenblick konnte ein herumeilender Knecht die offene Tür zur Rüstkammer entdecken. Rasch stülpte er sich einen Helm über den Kopf, wählte einen Brustharnisch von geringem Gewicht und tastete sich durch das Dunkel zurück zur Vorhalle.
Im Hof herrschte nach wie vor Geschrei, aber es bestand inzwischen aus gezielten Kommandos und geordneten Befehlen. Das Feuer schien unter Kontrolle, doch der Hof war nach wie vor von Flammen beleuchtet. Unmöglich konnte er sich dort zeigen. Denk nach, befahl er sich fieberhaft, denk nach! Schweiß benetzte seine Stirn. Es musste einen Weg hinaus geben, es…
Ein gewaltiger Hieb traf seine Schulterblätter, nahm ihm den Atem, ließ ihn kurz taumeln, doch Lambert fing sich und wirbelte mit gezücktem Degen herum. Vor ihm stand Gernot in der Uniform eines Wachsoldaten. Mit zitternden Händen hielt er den Bihänder umfasst, den Lambert eben zum Öffnen der Waffenkammer benutzt hatte. Man sah deutlich, dass er zwar die Feder, aber keine Waffe zu führen wusste.
»Ich habe mich gegen den Wein und für eine freiwillige Wache entschieden«, knurrte der Sekretär.
8.
Das Geräusch der Explosion hatte die City bis hinauf zur St. Paul’s Cathedral geweckt. In vielen Pfarrkirchen schlugen die Küster die Sturmglocken an. Verschlafene Menschen sammelten sich in den kalten Gassen, Gerüchte sprangen von Haus zu Haus, doch zum Glück keine Flammen. Die Bewohner nahe dem Stalhof sahen den Feuerschein und begannen mechanisch ihre wichtigsten Habseligkeiten auf Karren zu packen. Esel wurden aus Ställen hervorgezerrt, Pferde gesattelt. Einige Menschen suchten direkt den Weg hinab zur rettenden Themse.
In einer Dachkammer nahe St. Paul’s war auch Aleander von seiner Pritsche hochgefahren. Er schlug die Decken zurück und lief zu dem winzigen
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