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Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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niemand außer Nell Twinkerton, die gähnend eine Binsenmatte zurechtrückte.
    »Wo ist er hin?«, fragte sie wütend.
    »Da, wo er hergekommen ist«, sagte Nell und trat die Matte glatt. »Orangen mitten in der Nacht, pfff. Und nun legt Euch aufs Ohr. Mehr als vier Stunden bleiben uns nicht, dann muss ich die Feuer anzünden und den ersten Teig bereiten.«
    »Ich werde nicht hierbleiben«, begehrte Lunetta auf und wollte zur Tür rennen. Nell Twinkerton vertrat ihr den Weg. »Herzchen, hier schnarchen zweihundert Köche und Knechte, rohe, ungehobelte Kerle, die sich an deinem appetitlichen Fleisch vergreifen würden, ohne lange zu fragen, wer du bist und woher du kommst! Im letzten Sommer hat man den Leichnam einer vorwitzigen Dorfhure aus dem Schlossgraben gefischt, die sich unter einer Ladung Feuerholz eingeschmuggelt hatte, um hier schnell zu Geld zu kommen.« Sie drehte sich um. »Leg dich hin und überlege dir, wie du deinen Galan wieder besänftigen kannst. Er ist dein einziger Schlüssel in die Freiheit und…«
    Weiter kam sie nicht. Ein gut gezielter Hieb traf sie am Kopf. Nicht zu hart, aber ausreichend stark, um sie niederzustrecken. Nell Twinkerton war Opfer ihrer eigenen Puddingformen geworden.

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    Mariflores Zimenes, »Die Geheimnisse des Tarots«
     

1.
    H AMPTON C OURT , 29. J ANUAR 1536, UM DIE M ITTAGSSTUNDE
    Träge dümpelte die Barke des Königs am Landungssteg von Hampton Court. Die karmesinroten Segel waren gerefft, die Ruder hochgestellt. Um sie herum schaukelten weitere Barken vermögender Höflinge, flussabwärts schwammen Nachen und Mietboote, in denen Ruderknechte auf Kundschaft warteten. Sie waren in dicke Schafsfelle gehüllt und verfluchten die Kälte und den eisigen Wind. Hin und wieder legten sie sich in die Riemen, um sich warm zu halten.
    Schlecht gelaunt beobachteten sie dabei den Prediger, der sich nun schon seit Stunden am Ufer beim Steg herumtrieb und sich nicht entschließen konnte, einen Kahn für die Rückfahrt nach London zu heuern. Überhaupt ein schlechtes Geschäft heute – und das bei so gutem Rückenwind und abflutender Strömung. Doch der Hof lag da wie tot. Durch das schmiedeeiserne Tor konnte man in die äußeren Gärten spähen. Vereinzelte Spaziergänger lustwandelten zwischen gestutzten Buchsbaumfiguren.
    Hin und wieder wurde das Rasseln von Karrenrädern laut. Lieferanten näherten sich dem Seiteneingang des Palastes, Kies spritzte unter Pferdehufen auf, wenn Jäger von kurzen Ausflügen auf die umliegenden Felder zurückkehrten, wo sie Wildkaninchen und Dohlen nachgestellt hatten. Die Treiber des Königs waren nicht darunter, kein Hörnerklang und kein fröhliches Bellen seiner Hundemeute belebten den Vorhof.
    Nein, an diesem trüben Tag schien der begeisterte Sportsmann Heinrich, der bis zu neun Pferde bei einer Pirsch müde ritt, auf seine übliche Wildschweinhatz zu verzichten. Ganz zu schweigen von einer anständigen Hirschjagd! Dabei neigte sich die Saison dem Ende zu.
    Doch der Prediger schien noch auf etwas zu hoffen, das die Warterei lohnte. Immer wieder näherte er sich dem schwarzgoldenen Tor in der Außenmauer, soweit die Gardisten es zuließen, und spähte zum Palast hinüber. Endlich schien sein Warten belohnt zu werden, seine Schultern strafften sich, er sprang die Treppen zum Bootssteg hinab und bezog Posten, wie es alle Bettler und Bittsteller zu tun pflegten, wenn sich hochrangige Hofgäste näherten. Einsam stand er da, wie ein Totenvogel.
    »Aye, Sire«, schrie ein Bootsmann zu ihm hinüber. »Soll’s nach London gehen? Ich mach ’nen guten Preis!«
    Der Prediger beachtete ihn nicht, sondern starrte gebannt wie ein Fuchshund, der Witterung aufnimmt, zum Tor. Die Bootsleute folgten seinem Blick und sahen auf der anderen Seite eine weitere schwarze Gestalt auftauchen. Mit langen Schritten näherte sich der Mann; auf seiner dunklen Amtsrobe prangte eine goldene Wappenkette. Cromwell. Auch kein Geschäft, der Minister hatte seine eigene Barke. Schon sprangen seine Ruderknechte von einem Boot, das nah beim Schiff des Königs vertäut lag, und schoben einen Laufsteg hinaus.
    Die Torwachen öffneten das Schmiedetor und präsentierten die Hellebarden. Heinrichs erster Minister näherte sich mit gesenktem Haupt und wehendem Umhang. Der graue Prediger wippte nervös auf den Füßen. Als der Minister nur noch wenige Schritte von

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