Das Geheimnis der toten Vögel
gibt es irgendwelche Hinweise darauf?«
»Wir haben eigentlich keinerlei Hinweise darauf, dass sie einander kannten. Nicht mehr als den Verdacht, den Lennie ausgesprochen hat, und das, was Jessika angedeutet hat, wobei die sich ja nicht einmal mit dem Namen sicher war. In Sandras Kalender ist in gleichmäßigen Abständen ein ›F‹ eingetragen. F und eine Zeitangabe. F kann ja genauso gut für Frauenarzt stehen, habe ich mir gedacht und mich bei ihrer Schwester erkundigt, zu wem Sandra ging. Ich habe es nachgeprüft, doch so war es nicht. F kann für Florian stehen oder für etwas ganz anderes. Und wenn es so ist, dass sie ihn getroffen hat, dann hätten sie sich vor ungefähr einer Woche gesehen, und dann am 4. Juli. Wir wissen nicht, ob er irgendetwas mit dem Mord an ihr zu tun hat. Wir wissen nicht einmal, ob er dort war.«
»Wurde sie vergewaltigt?« Maria fragte sich, wie viel wichtige Informationen sie wohl verpasst hatte, während sie bei Emil war. »Erzähl am besten noch mal von vorn.«
»Der erste Bericht des Gerichtsmediziners besagt, dass Sandra Hägg erdrosselt wurde. Es gibt keine Spuren von sexueller Gewalt, kein Sperma. Am linken Oberarm hatte sie eine kleine Schnittwunde. Wir dürfen also annehmen, dass der Täter auch ein Messer dabei hatte. Sie hatte, genau wie Lennie es gesagt hat, auf der einen Pobacke einen Strichcode. Keine Hautreste unter den Nägeln. Es wirkt nicht so, als habe sie im Nahkampf viel Widerstand geleistet. Aber wie du gesehen hast, war die ganze Einrichtung zerschlagen. Wir wissen nicht, wie lange der Mörder sie in der Wohnung gejagt hat. Meine erste Überlegung war, dass sie mit einem stumpfen Gegenstand einen Schlag auf den Kopf erhalten hat und dann erdrosselt wurde. Der Gerichtsmediziner unterstützt diese Theorie. Sie ist auf den Hinterkopf geschlagen worden. Es gibt eine Quetschung.«
»Aber niemand hat sie um Hilfe schreien hören. Wenn sie da drinnen gejagt wurde, dann hätte sie doch sicher versucht, Aufmerksamkeit zu erregen, oder? Und dieser Hans Moberg? Der übers Internet Medikamente verkauft? Wo ist der jetzt?«
»Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Wir haben die Kennzeichen vom Wohnwagen und vom Auto, und wir kontrollieren den Hafen, aber er kann natürlich zuvor abgehauen sein. Bisher musste man immer das Autokennzeichen angeben, wenn man einen Platz auf der Fähre zum Festland gebucht hat, und dann hätte man jetzt die Buchungen einsehen können, doch neuerdings ist das nicht mehr so. Er kann also unter falschem Namen nach Nynäshamn oder Oskarshamn gefahren sein, oder er befindet sich immer noch auf der Insel und versteckt sich irgendwo.«
Yrsa Westberg wohnte in einem kleinen, weiß verputzten Haus in Kappelshamn. Schon von weitem konnten sie sie mit ihren drei Bordercollies in dem dicht belaubten Garten herumlaufen sehen. Eine energische Frau um die vierzig, das blonde Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, in Jeans und selbst gestricktem Pullover. Die Hunde gehorchten ihr auf den leisesten Wink und blieben wie angewurzelt stehen, als Hartman und Maria aus dem Auto stiegen und auf sie zugingen. Erst als Yrsa Westberg sie gefragt hatte, ob sie Hunde mochten und sie begrüßen wollten, gab sie den Tieren ein Zeichen, dass sie sich rühren und die Gäste vorsichtig beschnüffeln dürften. Sie wurden in eine gemütliche Küche geleitet, in der noch der Duft von frisch gebackenem Brot hing. Die Brotlaibe vom Morgen lagen zum Abkühlen unter karierten Handtüchern. Während Yrsa Westberg Kaffee und selbst gebackenes Sauerteigbrot auf den Tisch stellte, erzählte sie ruhig und beherrscht, warum sie angerufen hatte.
»Florian ist freiberuflicher Journalist. Manchmal fährt er weg, um eine Reportage zu machen, aber diese Woche wollte er zu Hause sein. Während meiner Reise haben wir uns jeden Abend eine SMS geschickt und uns eine gute Nacht gewünscht. Er war zu Hause oder in der Stadt, aber er hat auf jeden Fall von seinem Handy die SMS geschickt. Gestern Abend bin ich nach Hause gekommen und habe damit gerechnet, dass er irgendwann kommen würde, deshalb habe ich was Schönes gekocht und eine Flasche Wein geöffnet. Aber er kam nicht, und ich konnte ihn auch nicht per Telefon erreichen. Das Erstaunliche ist, dass er die Hunde die ganze Zeit, während ich auf dem Festland war, bei seiner Schwester untergebracht hatte. Sie hat gestern Abend angerufen, und da wurde mir erst klar, dass die Hunde bei ihr sind. Sie hat
Weitere Kostenlose Bücher