Das Geheimnis der Totenkiste
Straße zeigen, nur des Nachts, und dann vermutlich ohne die Kiste. Wenn Sie ihn sehen, dann folgen Sie ihm bis zu seiner Adresse – aber in sicherem Abstand.
Ich warne Sie eindringlich, kommen Sie diesem Mann nicht zu nahe, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!«
Er betrachtete die zu ihm hochblickenden Gesichter – bärtig, eingefallen, aufgeschwemmt, manche gerissen, solche, denen man nicht über den Weg trauen würde, und andere, die alle Hoffnung aufgegeben hatten. Er fragte sich, ob sie die Warnung auch ernst nehmen würden.
»Er ist der gefährlichste Mann in ganz Europa«, fuhr er fort. »Ich wiederhole – folgen Sie ihm zu seinem Quartier – und erstatten Sie mir dann Meldung. Unternehmen Sie keinesfalls etwas auf eigene Faust!«
»Wie heißt er denn, Herr?« rief eine heisere Stimmeaus der Menge. »Ich mein, wie sollen wir uns nach ihm erkundigen?«
»Ich habe keine Ahnung, welchen Namen er benutzt. Vielleicht hat er gar keinen angegeben…«
Doch ein paar Tips kann ich Ihnen noch geben. Er wird ganz sicher nicht in einem respektablen Hotel absteigen. Daran hindert ihn sein Aussehen und sein Mangel an Gepäck, vermutlich auch seine ungenügenden Kenntnisse des Englischen.
Er wird Unterschlupf in dem verkommensten Haus gesucht haben, das er finden konnte. Danach müssen Sie Ausschau halten. Fragen Sie auch bei den Pfandleihern nach, denn er bezahlt bestimmt mit ausländischer Währung – vermutlich in Gold.«
Er sah, wie die Männer bei der Erwähnung von Gold aufhorchten. Es war erstaunlich, wie allein der Name dieses edlen Metalls solch unedle Regungen wie beispielsweise Habgier heraufbeschwor.
»Er wird nicht übermäßig viel davon haben. Ich warne Sie, es ist bestimmt nicht genug, Ihr Leben dafür in Gefahr zu bringen. Außerdem suche ich ihn nicht des Goldes wegen.«
»Warum sind Sie überhaupt so scharf auf ihn?« rief einer.
»Das ist meine Angelegenheit. Es dürfte genügen, daß ich Sie anständig bezähle. Außerdem erhält derjenige, der mir die Adresse bringt, noch eine Belohnung von zehn Guineen. Und nun ersuche ich Sie, sich auf den Weg zu machen. Sie werden Ihren Lohn für den ersten
Tag an der Tür ausgehändigt bekommen…«
Während die Menge sich zum Ausgang drängte, vermutlich, um dann ihr so schnell verdientes Geld in die nächste Kneipe zu tragen, drehte Eli sich zu seinem Begleiter auf dem Podium zu – einem grauhaarigen Mann mit schmalem eifrigem Gesicht und einem Kneifer auf der Nase.
»Was halten Sie von den Leuten, Dr. Hartwell?«
»Sie erinnern mich an Wellingtons Bemerkung über seine Truppen: .Ich weiß nicht, welche Wirkung sie auf den Feind haben werden, aber bei Gott, mich erschrecken sie.’»
Er lachte wiehernd.
»Aber ich muß Ihnen recht geben, Podgram. Das ist die Art von Männern, die Sie brauchen. Sie allein haben eine Chance, eine Spur zu finden. Die Polizei erreicht hier nichts. Wenn sie anfängt, in der Dockgegend Fragen zu stellen, stößt sie nur auf ehernes Schweigen und verschlossene Türen.«
»Eben«, murmelte Eli. »Deshalb habe ich mir diese kleine Armee auch zusammengesucht.«
Hartwell war als der größte lebende Theoretiker in Fragen des Okkulten bekannt. Er hielt Vorlesungen an den verschiedensten Universitäten, war Berater des Britischen Museums und Verfasser mehrerer bedeutender Werke, angefangen mit der Frühgeschichte der Hexerei bis zur höheren Entwicklung von E.S.P. der übersinnlichen Wahrnehmung, bei primitiven Rassen. Eli empfand großen Respekt vor den Kenntnissen Hartwells, aber er wußte auch, daß dieser so gut wie keine praktische Erfahrung mit dem Okkulten hatte, jedenfalls keine, die auch nur im entferntesten an seine herankam.
Es war eine Überraschung gewesen, als Hartwell ihn am Morgen zu Hause besucht hatte, um sich zu erkundigen, ob Eli über den Doppelmord am Dock gelesen und dabei an die Möglichkeit gedacht hatte, daß eine Verbindung zum Okkulten gegeben war, um so mehr, als die Tat leicht mit den mysteriösen Ereignissen auf dem verlassenen Schiff zusammenhängen mochte.
Hartwell war sehr erfreut gewesen, als Eli ihm seine Ansicht darlegte und in seine bisherigen Ermittlungen einweihte.
»Mein lieber Podgram, das ist faszinierend, faszinierend! Ich mag ja ein verknöcherter alter Gelehrter sein, aber es wäre mir eine große Ehre, Sie bei diesem Fall tatkräftig unterstützen zu dürfen.«
Eli war über dieses Angebot sehr erfreut gewesen, da es zumindest einen kleinen Teil der Last von seinen Schultern
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