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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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sie mit fiebrig glänzenden Augen beobachtete, lachte bösartig und krächzte mit rauer Stimme: »Du bist die Nächste, Totenmagd. Ich habe dich eigens aufgeweckt, damit du deinen eigenen Tod nicht verschläfst.«
    Katharina warf einen panischen Blick zur Tür und fühlte gleichzeitig, wie ihr eine überwältigende Todesangst die Glieder lähmte.
    Als könnte er ihre Gedanken lesen, raunte Reinfried ihr zu: »Nein, nein, weglaufen gilt nicht! Du trinkst jetzt brav deinen Becher leer, meine Schöne, sonst schneide ich dir deinen Schwanenhals durch!«
    Er hatte unter seiner roten Kutte einen langen Dolch hervorgeholt und bewegte die Spitze mit genussvoller Langsamkeit auf Katharinas Kehle zu. Als das kalte Metall ihren Hals berührte, fühlte sie einen stechenden Schmerz und schrie laut auf.
    Auf einmal wurde ihr kalt bis ins Mark, und eine tiefe Ruhe überkam sie. Als sie anschließend zu sprechen anfing, waren der keuchende Atem und das Beben in ihrer Stimme nur noch Inszenierung.
    »Ich werde den Todestrank zu mir nehmen, Leonhard. Aber bitte erlaube mir vorher noch eine letzte Frage.«
    »Frag, was immer du magst, meine Teure. Aber sei dir gewiss: Du wirst die Antwort mit in dein Grab nehmen.« Er lächelte gönnerhaft.
    »Es geht dir doch gar nicht darum, den Menschen den Tod bloß nahezubringen ?«
    »Sondern?« Er hob belustigt die Brauen, während er die Dolchspitze weiterhin gegen ihren Hals drückte.
    »Ich meine, was du eigentlich willst, das ist doch das Töten, nicht wahr?«
    »Kluges Kind! Du hast mich durchschaut.« Reinfried verzog anerkennend die Mundwinkel. »Meine wahre Berufung erfuhr ich auch nicht, wie die anderen Schwachköpfe immer glaubten, als ich die Pest überlebte, sondern, als ich zum ersten Mal getötet habe. Keiner weiß das. Und du bist die Erste und auch die Letzte, die es erfährt.«
    »Was genießt du so daran?«, fragte Katharina, während sie Reinfried keinen Moment aus den Augen ließ.
    Einen Augenblick lang schien er ernsthaft nachzudenken, und mit einem Mal wirkte sein zuvor so zynisches Gesicht wie verklärt.
    »Der Augenblick des Todes ist ein einzigartiger und erhabener Moment«, schwärmte er begeistert. »Nur wer selbst schon getötet hat, kennt das und wird verstehen, was ich meine. Das Töten ist unglaublich machtvoll und erregend. Man muss es auskosten, es darf auf keinen Fall zu schnell gehen. Ganz langsam musst du zudrücken und sie zappeln lassen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die Angst in ihren Augen … Dann drückst du fester und fester, und schließlich erlöscht das Licht, der Lebensfunke. Das ist unsagbar göttlich. Nichts anderes vermag mich derart zu faszinieren.«
    Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, schien er tatsächlich bewegt zu sein. Er hatte sich offenbart!
    »Deswegen willst du auch, dass ich das Gift trinke. Weil es länger dauert, als … als wenn du mich erstechen würdest«, flüsterte Katharina beklommen.
    »Du bist ein schlaues Mädchen, Totenwäscherin. Warum sollte ich mich um dieses grandiose Schauspiel bringen? Ich werde jeden Moment davon genießen. Es fängt mit Brechreiz an, dann wirst du bald nicht mehr sprechen und auch nicht mehr schlucken können. Dann fangen die Muskelkrämpfe an.« Er kicherte belustigt angesichts von Katharinas entsetztem Blick. »Und dann kriegst du keine Luft mehr und erstickst. Vergiftungen haben immer etwas Groteskes. Aber in ihrer Dramatik sind sie einfach brillant.«
    »Du selbst wirst das Gift aber nicht nehmen?« Katharinas Äußerung war eher eine Feststellung als eine Frage.
    Reinfried lachte laut auf. »Warum sollte ich, meine Liebe? Denn ich werde ja schließlich noch gebraucht. Wer sollte denn sonst den Menschen den Tod bringen ?« Nun stand in seiner Miene nichts mehr als höhnische Grausamkeit.
    »Schluss jetzt mit dem Geplänkel! Trink jetzt endlich deinen Becher leer!«, befahl er in schneidendem Tonfall und erhöhte den Druck der Dolchspitze. Katharina spürte wieder einen stechenden Schmerz und nahm wahr, dass ihr das Blut den Hals herunterlief. Sie wagte nicht, den Kopf zu bewegen, verharrte in ihrer starren, aufgerichteten Haltung, tastete nach dem Zinnbecher und hob ihn an. Ihre Hand zitterte dabei so ungestüm, dass ein Teil der dunklen Flüssigkeit über den Becherrand schwappte.
    *
    Es schlug gerade zur achten Stunde, als die beiden Torwächter der Galgenpforte, Dietmar Stricker und Franz Scheingraben, endlich die Tore verriegelten. Sie waren müde und durchgefroren vom langen

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