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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Ilses Mondgesicht glänzte vor Schweiß, und sie keuchte vernehmlich, als sie ein Tablett mit Zinnbechern herbeibrachte, die sie nach und nach verteilte.
    Nachdem alle Fackeln entzündet waren, die Mitglieder der Todesbruderschaft ihre Plätze eingenommen hatten und auch Katharina sich schniefend von ihrem Strohsack erhoben und zur rechten Hand von Reinfried niedergelassen hatte, hub der Meister an:
    »Meine getreuen Brüder und Schwestern des Todes«, begann er mit feierlichem Ernst, »unsere Bruderschaft ist in großer Gefahr. Die Stadtobrigkeit hat sich gegen mich verschworen. Wenn sie meiner habhaft werden, werden sie mir den Prozess machen und mich zum Tode verurteilen. Euch wird in der Folge das Gleiche widerfahren. Das darf nicht geschehen. Daher habe ich als Euer Meister, dem Ihr absoluten Gehorsam gelobt habt, entschieden, dass wir ihnen zuvorkommen werden …«
    Bruder Gottfried, der vierschrötige Almosensammler der Leprakranken, unterbrach ihn: »Mit Verlaub, Meister, aber warum versuchen wir nicht, auf dem schnellsten Wege zu flüchten? Wenn wir gleich losreiten und keine Rast einlegen, sind wir vielleicht morgen schon in Sicherheit.« Vor Aufregung hatte er einen hochroten Kopf.
    »Wir werden ja flüchten, Bruder Gottfried, aber dorthin, wo uns niemand vermutet. Wir flüchten nämlich ins Reich des Todes«, erklärte Reinfried mit der Heiterkeit eines Bänkelsängers und blickte seine Getreuen durchdringend an.
    Denen stand angesichts seiner Eröffnung das blanke Entsetzen in den Gesichtern. Die dicke Henkersfrau gab ein verzweifeltes Schluchzen von sich, dann biss sie sich auf die Lippen und verstummte. Eine Weile herrschte bleiernes Schweigen in der Tafelrunde.
    Schließlich sprang der Meister wütend auf und fuhr seine Gefolgschaft mit dröhnender Stimme an: »Und ihr wollt Brüder des Todes sein? Wo ihr doch noch immer das Fleisch liebt und euch vor dem Tode fürchtet? Ihr verdammten Feiglinge, klammert ihr euch noch immer ans Leben? – Ihr enttäuscht mich maßlos!«, spie er ihnen verächtlich entgegen.
    »Nein, Meister, so ist es nicht. Wenn Ihr es so entschieden habt, werde ich mich fügen. Ich fürchte mich schon lange nicht mehr vor dem Tod«, erwiderte der alte Puch mit fester Stimme.
    »Auch ich bin bereit, Meister«, erklärte auch Meister Hans rundheraus. »Ich habe noch nie verstanden, warum die Leute immer so am Leben hängen. Ich für meinen Teil bin seiner längst überdrüssig.« Der resignierte Blick seiner trüben Säuferaugen verriet deutlich, dass er vom Leben tatsächlich nichts mehr erwartete. Seine Frau Ilse indessen brach bei seiner Bekundung in Tränen aus.
    »Was gibt’s denn da zu heulen, Alte«, brummte der Henker bärbeißig und kniff Ilse in den speckigen Oberarm. »Du hältst das ganze Elend doch auch nur aus, wenn du entsprechend zugesoffen bist.«
    »Das stimmt«, presste sie unglücklich hervor. »Aber trotzdem hätte ich mir ein besseres Leben gewünscht. Und eigentlich … eigentlich hab ich furchtbare Angst vorm Sterben.« Die dicke Frau barg ihr Gesicht in den Händen und wimmerte vor sich hin, während die anderen betroffen schwiegen. Katharina, die über Reinfrieds Ankündigung hochgradig schockiert war, tat die Henkersfrau herzlich leid.
    Nun brach es aus ihr heraus: »Das Leben ist nun einmal schrecklich – und schön! Ich hänge an ihm, und ich habe nur das eine.« Sie funkelte Reinfried zornig an. »Wer bist du denn, dass du dir anmaßt, über unser Leben und unseren Tod zu entscheiden? Fang doch bei dir selber an, und leg zunächst einmal Hand an dich. Dann haben wir einen Teufel weniger auf Erden!«, schrie sie gellend und erhob sich drohend gegen den Mann in der roten Seidenkutte. Im nächsten Moment holte Reinfried aus und schlug Katharina mit dem Handrücken gegen den Mund, dass ihre Lippen heftig zu bluten begannen. In dicken, schweren Tropfen rann das Blut auf das schwarze Samtbanner mit dem Totenschädel.
    »Ich bin König Tod, du Miststück! Und dich heb ich mir bis zum Schluss auf. Das wird ein ganz besonderer Spaß werden«, erwiderte Reinfried mit gefährlicher Ruhe und fuhr sich mit der Zunge lüstern über die Lippen. »Aber bis dahin bleibst du schön sitzen und hältst die Klappe. Oder willst du etwa, dass Meister Hans dich hier festbindet und dir einen Knebel in dein Schandmaul stopft?« Er musterte Katharina wie ein ungezogenes Kind und zog amüsiert die Brauen hoch.
    »Hat denn niemand ein Tuch einstecken?« , fragte er in die

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